Nach Social Distancing kommt Social Freezing? Tatsächlich haben die beiden Begriffe nichts miteinander zu tun. Social Freezing ist ein Verfahren der Reproduktionsmedizin, welches Frauen ermöglichen soll, dem altersbedingten Fruchtbarkeitsverlust entgegenzuwirken. Die einschlägigste Methode in diesem Gebiet: Oozyten, also Eizellen, einfrieren. Diese werden gelagert, um sie zu späterem Zeitpunkt für eine künstliche Befruchtung zu nutzen. Fernarzt informiert über die Vor- und Nachteile von Social Freezing, Kosten und den Prozess.
Was ist Social Freezing?
Social Freezing, auch Social Egg Freezing genannt, beschreibt ein medizinisches Verfahren, welches von vielen Kinderwunschzentren angeboten wird. Hintergrund ist, dass die Eizellenreserven der Frau im Alter abnehmen, sich die Eizellenqualität vermindert und damit die Chancen einer Schwangerschaft sinken während gleichzeitig das Risiko für bestimmte genetische Erkrankungen beim Kind massiv steigt (z. B. Trisomie 21). Beim Social Freezing werden Eizellen der jungen Frau entnommen, eingefroren und bis zu dem Zeitpunkt aufbewahrt, an welchem eine Schwangerschaft gewünscht ist. Das Social Freezing soll gewissermaßen der “tickenden biologischen Uhr” entgegenwirken und einen Aufschub des Kinderwunsches ermöglichen.
Von Social Freezing spricht man, insofern keine medizinische Indikation vorliegt. Ursprünglich wurde das Verfahren Ende der 1990er für Frauen mit Krebs entwickelt, welche durch die Chemo- oder Strahlentherapie ein höheres Risiko einer später entstehenden Unfruchtbarkeit haben. In diesem Zusammenhang besteht eine medizinische Indikation und man spricht vom Medical Freezing. Das geplante Einfrieren von Eizellengalt lange als experimentelles Verfahren. Erst im Jahr 2012 wurde es durch die American Society for Reproductive Medicine (ASRM) und die Society for Assisted Reproductive Technology (SART) nicht mehr als solches eingestuft. Sie entwickelten eine Leitlinie für Social Freezing mit Rücksicht auf Sicherheit, Wirksamkeit, Kosteneffizienz und emotionale Risiken.
Wie funktioniert Social Freezing?
Der Prozess des Social Freezing erfolgt in drei Schritten:
Hormonelle Stimulation der Eierstöcke
Entnahme der Eizellen
Anschließendes Einfrieren und Lagerung der lebensfähigen Eizellen
Für das Einfrieren der Eizellen gibt es zwei Methoden, langsames und schnelles Einfrieren. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Überlebensrate der Eizellen bei schnellem Einfrieren höher ist, daher gilt es als bevorzugtes Verfahren.
Laut der Richtlinie für Social Freezing der ASMR und SART gelten folgende Raten für Eizellen, die von Frauen unter 30 Jahren entnommen wurden:
- Überlebensrate der Eizellen beim Schnelleinfrieren (Vitrifikation): 90 bis 97 Prozent.
- Erfolgreiche Befruchtung überlebender Eizellen: 71 bis 79 Prozent
- Gelungene Implantation der befruchteten Eizelle: 17 bis 49 Prozent
- Klinische Schwangerschaftsrate je aufgetauter Eizelle: 4,5 bis 12 Prozent
Mit zunehmendem Alter bei Entnahme der Eizellensinken diese Wahrscheinlichkeiten. Das empfohlene Höchstalter für eine Eizellenentnahme für Social Freezing liegt bei 35 Jahren. Die Altersgrenze kann je nach Qualität der Eizellenreserve der jeweiligen Patientin um ein paar Jahre variieren. Es existieren in Deutschland bisher keine gesetzlich festgelegten Altersgrenzen, weder für das Anlegen der Eizellenreserve noch für die anschließende künstliche Befruchtung. Kinderwunschzentren werden zur Selbstverpflichtung aufgerufen, keine Schwangerschaften nach dem 50. Lebensjahr einzuleiten. In der Theorie ist auch eine Schwangerschaft nach den Wechseljahren mithilfe von Social Freezing möglich.
Social Freezing – Kosten
Die Kosten für eine Stimulationsbehandlung, die Eizellenentnahme, Medikamente, Einfrierverfahren und Lagerung liegen bei circa 3.000 bis 4.000 Euro. Die Höhe der Kosten kann variieren. Unter anderem spielt der individuelle Medikamentenbedarf eine Rolle, aber auch wie lange die Eizellen gelagert werden. Je nach Kinderwunschzentrum wird pro Jahr oder Halbjahr eine Lagergebühr fällig. Umso länger die Eizellen gelagert werden, desto höher sind die Kosten.
Hinzu kommen Behandlungsgebühren für die In-vitro-Fertilisation (IVF), wenn tatsächlich eine Schwangerschaft mit den eingefrorenen Eizellen herbeigeführt werden soll. Da beim Social Freezing, anders als beim Medical Freezing oder einer IVF-Behandlung aufgrund von Unfruchtbarkeit, keine medizinische Notwendigkeit besteht, gilt es als Privatleistung. Sämtliche entstehenden Kosten für den Kinderwunsch sind selbst zu tragen. Dies gilt neben den Social Freezing Kosten an sich auch für alle anschließenden Behandlungszyklen. Die Kosten für einen Behandlungsmonat für Selbstzahlende für eine künstliche Befruchtung liegen zwischen 1.000 und 4.000 Euro. Die möglichen Beträge addieren sich, je nachdem wie viele Versuche bis zu einer Schwangerschaft benötigt werden.
Vor- und Nachteile Social Freezing
Social Freezing mit einer anschließenden IVF ermöglicht Frauen in höherem Alter gesunden, genetisch verwandten Nachwuchs zu bekommen. Die Wahrscheinlichkeit für die Geburt von Kindern mit Chromosomenanomalien wie z. B. Trisomie 21 ist bei Social Freezing niedriger als bei einer natürlichen Geburt im hohen Alter.
Mit steigendem Alter der Mutter nimmt das Risiko für chromosomale Defekte des Ungeborenen zu. Aus noch nicht abschließend geklärten Ursachen kommt es bei Frauen über 35 Jahren vermehrt zu Fehlern der Chromosomentrennung während der Meiose. Mögliche Folge ist ein überzähliges Chromosom, wie etwa die Trisomie 21, oft auch als Down-Syndrom bezeichnet. Bei 40-jährigen Frauen liegt das Risiko für ein Kind mit Trisomie 21 bei etwa 1 zu 100 und ist damit mehr als 10-mal so hoch wie bei Frauen Mitte 20. Übrigens kann auch das fortgeschrittene Alter von Männern ein Risiko für genetische Erkrankungen darstellen. Hierbei handelt es sich vorwiegend um sogenannte Punktmutationen. Mögliche daraus resultierende Erkrankungen sind z. B. das Noonan-Syndrom oder Achondroplasie, eine Form des Kleinwuchses.
Social Freezing – Kritik
Social Freezing ist keine Garantie für Schwangerschaften oder Lebendgeburten. Zudem bringt der Eingriff medizinische Risiken mit sich, über die aufgeklärt werden muss und die tatsächliche Geburtenrate ist sehr gering.
Medizinische Risiken
Die hormonelle Stimulation der Eierstöcke kann ein leichtes bis mittelschweres ovarielles Hyperstimulationssyndrom (OHSS) hervorrufen. Die Symptome sind Müdigkeit, Übelkeit, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Brustspannen und Reizbarkeit. In diesem Stadium ist das Syndrom jedoch gut behandelbar. Bei 0,1 bis 2 Prozent der PatientInnen tritt ein schweres OHSS auf, welches zu Blutgerinnseln, Kurzatmigkeit, Bauchschmerzen, Dehydrierung, Erbrechen und Wasser im Bauch (Aszites) führen kann. Ein schweres OHSS mit Kreislaufschock ist eine lebensbedrohliche Erkrankung.
Es gibt Hinweise darauf, dass die Stimulation der Eierstöcke das Risiko von Brust-, Gebärmutter- und anderen Krebsarten erhöhen könnte, hier ist die medizinische Datenlage allerdings noch nicht aussagekräftig.
Die IVF-Behandlung bringt medizinische Risiken mit sich, wie höhere Wahrscheinlichkeiten für
Mehrlingsschwangerschaften,
schwangerschaftsbedingten Bluthochdruck,
Frühgeburten,
operative Entbindungen und
Säuglinge mit niedrigem Geburtsgewicht.
Schwangerschaften ab dem 35. Lebensjahr sind ebenfalls mit medizinischen Risiken verbunden, die bei dem Social Freezing mit bedacht werden sollten, wie z. B.:
Schwangerschaftsdiabetes
Präeklampsie
Kaiserschnitte
Frühgeburten mit niedrigem Geburtsgewicht
Höheres Risiko für Erkrankungen des Kindes
Mögliche soziale Folgen
Die sozialen Folgen von Social Freezing sind bisher unzureichend untersucht. Häufige Bedenken sind, dass der Eindruck erweckt werden könnte, Social Freezing sei die sicherste und beste Option für gesunden Nachwuchs. Das medizinische Verfahren könnte den Druck auf Frauen verstärken, Mutter zu werden und die Fruchtbarkeit so lange wie möglich zu erhalten.
Social Freezing steht auch deshalb in der Kritik, weil der gesellschaftliche Druck auf Einzelne verschoben wird. Der Kinderwunsch rückt für viele in eine spätere Lebensphase, da sie auf den richtigen Partner warten, aber auch weil sich Familie und Karriere zum gegebenen Zeitpunkt nicht vereinen lassen. Die sozialen Strukturen sollten dahingehend verbessert werden, wie z. B. mehr Fördergelder für Familien, vereinfachter Wiedereinstieg in den Beruf für Eltern, eine Ausweitung von Elternzeitprogrammen und ausreichende Betreuungskapazitäten in Kindertagesstätten.
Häufige Fragen zu Social Freezing
Die Kosten liegen bei circa 3.000 bis 4.000 Euro. Für die Lagerung der Eizellen wird pro Jahr oder Halbjahr eine Gebühr fällig. Hinzu kommen zu späterem Zeitpunkt die Kosten für die künstliche Befruchtung. Social Freezing ist eine Privatleistung, sämtliche Kosten sind selbst zu tragen.
Social Freezing beschreibt das Einfrieren von Eizellen mit nicht-medizinischer Indikation. So soll dem altersbedingten Furchtbarkeitsverlust entgegengewirkt und der Kinderwunsch nach hinten verschoben werden. Die Eizellen können zu späterem Zeitpunkt aufgetaut und mittels künstlicher Befruchtung eine Schwangerschaft eingeleitet werden.
Nach österreichischem Fortpflanzungsmedizingesetz ist das Einfrieren von Eizellen ohne medizinische Indikation verboten. Social Freezing ist entsprechend in Österreich nicht erlaubt. In Deutschland ist das Verfahren legal.
Es wird empfohlen, die Eizellen vor dem 35. Lebensjahr einzufrieren. Dieses Alter ist eine Richtlinie. Je nach Patientin kann die Qualität der Eizellreserve auch in höherem Alter noch bestehen oder eine Entnahme in jüngeren Jahren medizinisch sinnvoll sein.
Im Alter schrumpfen die Eizellenreserven der Frau, die Eizellenqualität ist gemindert und die Chancen einer Schwangerschaft sinken. Mit dem Einfrieren der Eizellen können zu späterem Zeitpunkt gesunde, genetisch verwandte Kinder geboren werden. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit für Chromosomenanomalien des Nachwuchses verringert.
Zuerst müssen die Eierstöcke mit Medikamenten hormonell stimuliert werden, damit die Follikel heranwachsen. Diese werden über die Vagina entnommen und eingefroren. Die Eizellen werden eingelagert, bis eine Schwangerschaft gewünscht ist. Dann können sie außerhalb des Körpers befruchtet und anschließend implantiert werden.
Quellen
Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung - Drucksache 19/20180. 2020.
Druml C: Stellungnahme der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch und das Gentechnikgesetz geändert werden (Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015 – FMedRÄG 2015). Bundeskanzleramt Österreich. 2014.
Petropanagos A, Cattapan A, Baylis F, et al.: Social egg freezing: risk, benefits and other considerations. CMAJ 2015; 187: 666–9.
Von Wolff, M, Germeyer A, Nawroth F: Social Freezing: Kontrovers diskutiert, aber zunehmend praktiziert. Medizin studieren 2015; 1: 26.