Fernarzt Studienreihe 2021 Teil 2: Geschlechtskrankheiten in Deutschland, STI (sexuell übertragbare Infektionen), Zahlen und Statistiken, Chlamydien, HIV und AIDS, Syphilis.
  1. Überblick der sexuell übertragbaren Infektionen (STI)
  2. Offizielle Zahlen und Daten
  3. Interne Datenanalyse
  4. Geschlechtskrankheiten im Fokus der Telemedizin
  5. Weitere Ausbreitung von STI in Deutschland verhindern
Fernarzt Studienreihe 2021 Teil 2: Geschlechtskrankheiten in Deutschland, STI (sexuell übertragbare Infektionen), Zahlen und Statistiken, Chlamydien, HIV und AIDS, Syphilis.

Gegen viele Geschlechtskrankheiten gibt es heutzutage wirkungsvolle Therapien. Auch ist bekannt, dass Kondome einen guten Schutz bieten. Dennoch steigen die Infektionszahlen mit Erregern wie Chlamydien, Hepatitis und humanen Papillomviren (HPV) in Deutschland seit einigen Jahren wieder an. Wir analysieren die verfügbaren Daten, evaluieren die Bedeutung der Telemedizin für diese Erkrankungen und zeigen auf, wo es seitens der Bevölkerung und des Bundes noch Nachholbedarf gibt.

Überblick der sexuell übertragbaren Infektionen (STI)

Über viele Jahrhunderte hinweg wussten die Menschen nicht, dass es Geschlechtskrankheiten überhaupt gibt. Der Zusammenhang zwischen engem Körperkontakt wie Geschlechtsverkehr und dadurch übertragenen Krankheiten war nicht offensichtlich.

Geschlechtskrankheiten werden auch als sexuell übertragbare Infektionen (STI, sexually transmitted infections) oder sexuell übertragbare Erkrankungen (STD, sexually transmitted diseases) bezeichnet.

Da die Menschen nichts von den unsichtbaren Erregern wussten, konnten sie sich auch nicht davor schützen. So kam es in den 1490er Jahren zu einer Syphilis-Epidemie in Europa, die 5 Millionen Menschen das Leben kostete [1]. Im 18. und 19. Jahrhundert gab es zwar Behandlungsmethoden für Geschlechtskrankheiten; da die Therapien jedoch mit schwermetallhaltigen Medikamenten durchgeführt wurden, verstarben im Anschluss viele Patienten an den Nebenwirkungen ebendieser [2]. Erst im 20. Jahrhundert gelang durch die Entdeckung von Antibiotika ein großer Durchbruch in der Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten, einschließlich vieler Geschlechtskrankheiten.

In den frühen 1980er Jahren gab es große Angst vor einer in Europa und Amerika grassierenden Geschlechtskrankheit: das erworbene Immunschwächesyndrom AIDS (acquired immune deficiency syndrome). Der auslösende Erreger HIV (human immunodeficiency virus) wurde im Jahr 1983 durch Luc Montagnier und Françoise Barré-Sinoussi am Pasteur Institut Paris entdeckt. Für diesen Durchbruch erhielten die Franzosen im Jahr 2008 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie [3]. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) startete 1987 die Präventionskampagne “Gib AIDS keine Chance”, um mit Fernsehspots und Aufklärungsangeboten für “Safer Sex” und die Verwendung von Kondomen zu werben. Nach knapp 30 Jahren wurde 2016 die Kampagne durch die Initiative “Liebesleben” abgelöst (Abb. 1), um auch andere STIs in den Vordergrund zu rücken [4].

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Abbildung 1: Die Präventionskampagne “Gib AIDS keine Chance” wurde 2016 durch die Initiative “Liebesleben” abgelöst [4].

Für viele der sexuell übertragbaren Infektionen gibt es heute wirksame Behandlungen – jedoch sind nicht alle heilbar. Außerdem sind weder Präventionsmaßnahmen wie Kondome noch Medikamente wie Antibiotika allen Menschen frei zugänglich. Auf dem afrikanischen Kontinent sind HIV und AIDS ein großes Problem. Dort herrscht einerseits eine große Unkenntnis bezüglich dieser Erkrankungen, andererseits ist die Verfügbarkeit von Kondomen, Impfungen und Medikamenten stark eingeschränkt. Vor allem im südlichen Afrika gibt es sehr hohe HIV-Prävalenzen (Eswatini 27 Prozent, Lesotho 21 Prozent, Botswana 20 Prozent). Diese Zahlen sagen aus, dass dort 2 bis 3 von 10 Personen (im Alter von 15 bis 49 Jahren) das HI-Virus in sich tragen oder sogar an AIDS erkrankt sind. Zusätzlich haben in einigen Gebieten der Welt weniger als die Hälfte der Betroffenen Zugang zu antiretroviralen Therapien [5].

Übrigens sind Geschlechtskrankheiten kein Phänomen der letzten Jahrhunderte: Forscher konnten in über 7.000 Jahre alten menschlichen Überresten DNA-Fragmente des Hepatitis-B-Virus nachweisen [6].

Was sind sexuell übertragbare Infektionen (STI)

Laut WHO (World Health Organization) sind mehr als 30 Erreger bekannt, welche durch sexuellen Kontakt übertragen werden können. Bei diesen Erregern handelt es sich um Bakterien, Viren oder Parasiten; bei anderen Auflistungen gehören auch Pilze dazu. Nachfolgend eine Auswahl der bedeutendsten sexuell übertragbaren Infektionen:

STI durch Viren:
  • HIV/AIDS
  • Genitalherpes
  • Genitalwarzen bzw. Feigwarzen
  • Hepatitis B
STI durch Bakterien:
  • Syphilis
  • Gonorrhö bzw. Tripper
  • Chlamydieninfektionen
  • Weicher Schanker (Ulcus molle)
STI durch Parasiten:
  • Trichomoniasis
  • Filzlausbefall
  • Krätze
Krankheiten, die u. a. durch Geschlechtsverkehr übertragen werden können:
  • Gebärmutterhalskrebs
  • Candidose
  • Bakterielle Vaginose

Geschlechtskrankheiten bzw. sexuell übertragbare Infektionen werden – wie der Name schon sagt – vorwiegend durch ungeschützte sexuelle Kontakte übertragen. Es gibt jedoch noch weitere mögliche Übertragungswege, diese sind u. a. vom Erreger abhängig:

  • Bei der Geburt (vertikale Infektion): Die Krankheit kann von der Mutter auf das Neugeborene übertragen werden. Dadurch können die Symptome auch primär an anderen Stellen als den Geschlechtsorganen auftreten (z. B. Bindehautentzündung eines Neugeborenen durch Chlamydieninfektion der Mutter).

  • Verunreinigte Bluttransfusionen: Heutzutage wird in Deutschland auf alle relevanten und riskanten Erreger hin getestet. Die Wahrscheinlichkeit, sich durch eine Bluttransfusion mit HIV anzustecken, liegt bei weniger als 1 zu 25 Millionen [7].

  • Injektionsnadeln: Infiziertes Blut kann durch Injektionsnadeln von einer Person auf eine andere Person übertragen werden. Am häufigsten geschieht dieses durch gemeinsam genutzte Spritzen bei Drogenkonsumenten. Auch achtlos weggeworfene Spritzen und Fehler bei der Behandlung von Infizierten können zur Übertragung führen.

Die ersten Symptome für Geschlechtskrankheiten treten in den allermeisten Fällen direkt am Übertragungsort auf. Bleibt eine Erkrankung über längere Zeit unbemerkt und/oder unbehandelt, so können die Erreger in andere Körperregionen aufsteigen.

Primär betroffene Körperregionen:
  • Genitalien (außen)
  • Geschlechtsorgane (innen)
  • Harnwege
  • Mundhöhle
  • Anus
Mögliche weitere betroffene Systeme:
  • Haut
  • Knochen
  • Gehirn / zentrales Nervensystem
  • Herz
  • Leber
  • Immunsystem

Geschlechtskrankheiten und deren Bekanntheit in Deutschland

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat 2016 die "Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen“ [8] vorgestellt. Im Rahmen dieser Strategie wurde eine Umfrage zu Gesundheit und Sexualität in Deutschland (GeSiD) unter knapp 5.000 Teilnehmern zwischen 18 und 75 Jahren durchgeführt [9]. Ein Teil dieser Studie beschäftigt sich mit der Bekanntheit verschiedener sexuell übertragbaren Infektionen. Bei der ungestützten Abfrage sollten die Teilnehmer alle STI auflisten, die sie kennen. HIV/AIDS war mit Abstand die bekannteste STI (71 Prozent). Danach folgt mit knapp 40 Prozent Gonorrhö (auch Tripper genannt) und mit über 30 Prozent Syphilis. Etwa jedem zehnten Deutschen sind Chlamydien, Genitalherpes und Hepatitis B als Geschlechtskrankheiten geläufig. Seltener wurden Genitalwarzen, Filzläuse und Trichomonaden genannt. Eine Zusammenfassung dieser Ergebnisse, auch nach Frauen und Männern aufgeschlüsselt, ist in der interaktiven Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Umfrageergebnisse der GeSiD-Studie (Gesundheit und Sexualität in Deutschland) [9], Frage “Welche sexuell übertragbaren Erkrankungen/Infektionen kennen Sie?”, ungestützte Umfrage (Teilnehmer mussten Erkrankungen/Infektionen eigenständig auflisten).

Lernkarten Geschlechtskrankheiten

Die nachfolgenden Lernkarten (Abb. 3A-L) geben einen Überblick über die häufigsten Geschlechtskrankheiten. Genannt werden die Hauptsymptome, der Übertragungsweg sowie mögliche Behandlungen, Präventionsmaßnahmen und Folgeerkrankungen. Durch Klicken auf die Buttons können die Lernkarten als einzelne Abbildungen oder auf einem zweiseitigen PDF heruntergeladen werden. Eine Verwendung zu Lern- und Lehrzwecken ist ausdrücklich erlaubt.

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Abbildung 3A: Chlamydien

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Abbildung 3B: Syphilis

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Abbildung 3C: HIV

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Abbildung 3D: Hepatitis B

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Abbildung 3E: Gonorrhö/Tripper

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Abbildung 3F: Genitalherpes

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Abbildung 3G: Genitalwarzen/Feigwarzen

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Abbildung 3H: Gebärmutterhalskrebs

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Abbildung 3I: Trichomonaden

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Abbildung 3J: Filzläuse

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Abbildung 3K: Scheidenpilz/Hefepilz

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Abbildung 3L: Krätze

Maßnahmen bei Verdacht auf Geschlechtskrankheiten

Wer den Verdacht hegt, an einer sexuell übertragbaren Erkrankung zu leiden, sollte erstmal einen kühlen Kopf bewahren. Viele STI sind heilbar und alle sind behandelbar.

Wichtig ist es, den aktuellen Partner und alle Intimkontakte der letzten sechs Monate zu informieren, um eine weitere Verbreitung zu unterbinden. Um den Verdacht einer Ansteckung zu bestätigen, sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden. Dieser kann die Symptome richtig einordnen und geeignete Tests durchführen (siehe Abb. 4).

Diese Ärzte können bei (einem Verdacht auf) Geschlechtskrankheiten helfen:

  • FachärztInnen für Haut- und Geschlechtskrankheiten (Dermatologie und Venerologie)
  • FrauenärztInnen (Gynäkologie)
  • UrologInnen
  • HautärztInnen (Dermatologie)
  • HausärztInnen (Allgemeinmedizin)

Wurde der Verdacht auf eine oder mehrere Geschlechtskrankheiten bestätigt, so kann der betreuende Arzt die entsprechenden Therapien einleiten. Dabei wird in den meisten Fällen auch der aktuelle Partner mitbehandelt.

Je früher die Geschlechtskrankheiten diagnostiziert werden, desto besser sind diese behandelbar. Also ist schon bei einem Anfangsverdacht die Konsultation eines Arztes angebracht. Die entstehenden Kosten werden bei akuter Symptomatik von den Krankenkassen übernommen.

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Abbildung 4: Die 3-B-Regel bei Verdacht auf Geschlechtskrankheiten: Besprechen, Bestätigen, Behandeln.

Offizielle Zahlen und Daten

In Deutschland sind unter den sexuell übertragbaren Infektionen derzeit nur Syphilis, HIV/AIDS und Hepatitis B nach § 7 des Infektionsschutzgesetzes meldepflichtig. Das bedeutet, dass Labore, die die entsprechenden Erreger nachgewiesen haben, ohne Angabe der Namen der Betroffenen eine Meldung an das Robert Koch-Institut abgeben müssen. Demnach gibt es zu diesen Krankheiten gesicherte Zahlen in Deutschland.

Diese Stadtkreise wiesen laut Robert Koch-Institut im Jahr 2020 die höchsten Inzidenzen (Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner) für HIV und Syphilis auf [10]:

HIV in Deutschland 2020
(höchste Inzidenzen pro 100.000 Einwohner)
  • Berlin Friedrichshain-Kreuzberg 14,54
  • Kassel 10,88
  • Bremen 10,75
  • Berlin Neukölln 10,59
  • Köln 10,02
Syphilis in Deutschland 2020
(höchste Inzidenzen pro 100.000 Einwohner)
  • Berlin Friedrichshain-Kreuzberg 95,72
  • Berlin Charlottenburg-Wilmersd. 88,22
  • Berlin Mitte 67,69
  • Köln 45,69
  • Berlin Neukölln 39,86

HIV und AIDS in Deutschland

HIV hat in den letzten 20 Jahren an Schrecken verloren. Galt das Virus in den 80er und 90er Jahren noch als unheilbar, tödlich und hochansteckend, so gibt es heutzutage deutlich verbesserte Behandlungsmöglichkeiten. Eine fast normale Lebenserwartung ist bei effektiver kombinierter antiretroviraler Therapie und frühem Therapiebeginn möglich. Diese verbesserte Prognose scheint viele Menschen unachtsam werden zu lassen.

Das Vollbild der Erkrankung (AIDS) ist nach wie vor eine tödliche Krankheit. Deshalb ist eine frühe und konsequente Therapie von HIV-Infektionen lebensnotwendig. Bei der richtigen Behandlung kann man heutzutage mit dem HI-Virus ein fast normales Leben führen, jedoch verläuft AIDS immer tödlich.

Nach Aufklärungs- und Präventionskampagnen in den 80er und 90er Jahren war “Safer Sex” fast eine Selbstverständlichkeit. Niedrige Neuinfektionsraten, gute Therapiemöglichkeiten und das Abebben der Präventionskampagnen sind mögliche Gründe für einen Anstieg der HIV-Neuinfektionen von etwa 2000 bis 2015. Seitdem ist glücklicherweise ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Am deutlichsten war der Rückgang um rund 20 Prozent von 2019 (deutschlandweite Inzidenz 3,74) zu 2020 (Inzidenz 2,96), was allerdings auch auf Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie zurückzuführen sein kann.

Abbildung 5 zeigt die Inzidenzen (jährliche Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner) auf Ebene der Bundesländer von 2001 bis 2020. Trauriger Spitzenreiter war lange Zeit Berlin, mit einer maximalen Inzidenz von 14,93 im Jahre 2013; seitdem sind die Neuinfektionen in der Bundeshauptstadt rückläufig und im Jahr 2019 wurden aus Hamburg (12,23) und Bremen (9,40) sogar mehr Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gemeldet als aus Berlin (6,21). Die niedrigsten Zahlen wurden aus Thüringen gemeldet – dort lagen die Inzidenzen im betrachteten Zeitraum konstant unter 2.

Abbildung 5: Bundesweite HIV-Inzidenzen von 2001 bis 2020 [10].

Generell sind die Inzidenzen in Großstädten und Ballungsräumen bedeutend höher als in Kleinstädten und ländlichen Regionen. Zugrundeliegende Faktoren sind der häufigere Partnerwechsel, eine große Homosexuellen-Szene, ein hoher Anteil an Personen mit Migrationshintergrund aus Hochprävalenzregionen und der Drogenkonsum. HIV-Ansteckungen in Deutschland sind auf diese vier Ursachen zurückzuführen [11] (grafische Darstellung in Abb. 6):

  • Männer mit gleich­ge­schlecht­lichen Sexualkontakten (65 Prozent)

  • Personen aus Hochprävalenzregionen (Ländern mit hoher Verbreitung von HIV in der Allgemeinbevölkerung) (12 Prozent)

  • Intravenöser Drogenkonsum mit verunreinigten Spritzen (5 Prozent)

  • Heterosexuelle Kontakte, meist über Personen aus einer der oben genannten Gruppen (18 Prozent)

Abbildung 6: Ursachen für HIV-Ansteckungen in Deutschland [11].

Laut Schätzungen der WHO starben 2020 weltweit rund 680.000 Menschen an mit dem HI-Virus assoziierten Ursachen [12].

Syphilis in Deutschland

In den späten 70er Jahren lag die Syphilis-Inzidenz für Gesamtdeutschland etwa bei 25 (jährliche Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner) [13]. Bis zur Jahrtausendwende war eine stetige Abnahme dieser Zahlen zu beobachten. Im Jahr 2001 lag die bundesweite Inzidenz nur noch bei 2,42 – seitdem nimmt sie jedoch kontinuierlich zu.

In den knapp 20 Jahren von 2001 (2,42) bis 2019 (9,54) hat sich die deutschlandweite Syphilis-Inzidenz nahezu vervierfacht.

Von 2019 (Inzidenz 9,54) zu 2020 (8,88) ist ein leichter Rückgang der Syphilis Inzidenz um 7 Prozent zu verzeichnen. Eine wahrscheinliche Ursache sind Lockdowns und Kontaktbeschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie.

Betrachtet man die Syphilis-Inzidenzen auf Ebene der Bundesländer, so ist auch hier Berlin der absolute Spitzenreiter – mit einer maximalen Inzidenz von 40,96 im Jahr 2019 (Abb. 7). Dort wurde innerhalb von 10 Jahren (2009 bis 2019) ein Anstieg um 183 Prozent verzeichnet. Weitere Bundesländer mit hohen Syphilis-Inzidenzen sind die weiteren Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Auch Syphilis hat eine deutlich höhere Inzidenz in Großstädten und Ballungsräumen. In Brandenburg und Thüringen waren die Syphilis-Inzidenzen in den letzten 20 Jahren am niedrigsten.

Abbildung 7: Bundesweite Syphilis-Inzidenzen von 2001 bis 2020 [10].

Laut Robert Koch-Institut (RKI) geht der starke Anstieg seit 2010 überwiegend auf sexuelle Kontakte zwischen Männern zurück [14]. Seit es eine wirksame Prophylaxe gegen HIV-Ansteckungen (PrEP, Prä-Expositions-Prophylaxe) gibt, ist die Verwendung von Kondomen vor allem in der Homosexuellen-Szene zurückgegangen und infolgedessen kommt es zu deutlichen Anstiegen bei den anderen STI.

Bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit einer mit Syphilis infizierten Person kommt es in über der Hälfte der Fälle zu einer Übertragung der Erreger [15].

Gonorrhö (Tripper) in Deutschland

Da es in Deutschland seit 2000 für Gonorrhö keine Meldepflicht mehr gibt, existieren keine zuverlässigen Datensätze für Inzidenzen und Prävalenzen.

Laut Schätzungen der WHO [16] erkrankten 2016 weltweit etwa 87 Millionen Menschen an Gonorrhö – damit ist dies die dritthäufigste STI. Bei einmaligem ungeschütztem heterosexuellem Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Person liegt die Ansteckungswahrscheinlichkeit für Frauen bei 60 bis 90 Prozent, für Männer bei etwa 20 Prozent [17].

Hepatitis B in Deutschland

Hepatitis B ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Die WHO schätzt, dass im Jahr 2019 weltweit 296 Millionen Menschen chronisch mit Hepatitis B infiziert waren [18].

Im Jahre 2019 lag in Deutschland die bundesweite Gesamtinzidenz für Hepatitis B bei 10,7 pro 100.000 Einwohnern (in dem Jahr wurden 8.903 Fälle diagnostiziert) [19]. Unter den Bundesländern wurden die höchsten Inzidenzen aus Bremen (17,0), Baden-Württemberg (15,2) und Berlin (14,8) gemeldet. Die niedrigste Inzidenz im Jahr 2019 wurde für Mecklenburg-Vorpommern (4,3) registriert.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt seit 1995 eine Hepatitis-B-Impfung bei allen Säuglingen und Kleinkindern [20].

Humane Papillomviren (HPV) in Deutschland

Die meisten sexuell aktiven Menschen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit humanen Papillomviren (HPV).

Auch Infektionen mit humanen Papillomviren sind in Deutschland nicht meldepflichtig; somit liegen keine umfassenden statistischen Daten vor.

Bei den humanen Papillomviren wird zwischen “high risk” und “low risk” Typen unterschieden. Die Erreger der Hochrisiko-Typen (high risk) haben ein onkogenes Potential und können somit Krebs verursachen. Schätzungen zufolge erkranken in Deutschland jährlich 7.850 Menschen an HPV-bedingtem Krebs [21]. Die häufigste durch HPV verursachte Krebsart ist das Zervixkarzinom (Gebärmutterhalskrebs). Im Jahr 2018 starben weltweit etwa 311.000 Frauen an dieser Krebsart [22]. Niedrigrisiko-HPV-Typen (low risk) sind für die Entstehung von Genitalwarzen und vulgären Warzen verantwortlich.

Die STIKO empfiehlt für Mädchen und Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren eine Impfung gegen HPV [23].

Chlamydien in Deutschland: Alarmierende Zahlen und Unwissenheit

Bei der GeSiD Studie [9] gaben nur 11,7 Prozent der knapp 5.000 Befragten auf die Frage nach den ihnen bekannten Geschlechtskrankheiten Chlamydien an (ungestützte Abfrage, siehe auch Abb. 2). Nur jeder zehnte Deutsche ist sich dieser STI aktiv bewusst und vermutlich kennt nur ein Bruchteil davon die möglichen Risiken.

In Deutschland sind schätzungsweise etwa 100.000 Frauen ungewollt kinderlos durch die Folgen einer unbehandelten Chlamydieninfektion [24].

Schätzungen zufolge sind Chlamydieninfektionen die mit Abstand häufigste STI in Deutschland. Hochrechnungen ergeben etwa 300.000 Neuinfektionen jährlich – am häufigsten betroffen sind dabei junge Frauen [25]. Da Chlamydien in Deutschland nicht meldepflichtig sind, gibt es hierzu keine zuverlässigen Daten.

Eine deutsche Studie [26] aus dem Jahr 2005 gibt an, dass unter den in diesem Rahmen getesteten 17-jährigen Mädchen 10 Prozent eine frische Chlamydieninfektion aufwiesen. Die Infektionen verlaufen häufig asymptomatisch: Bei Frauen haben 8 von 10 Infizierten keine Symptome, bei Männern sind 5 von 10 Infizierten symptomlos [27]. So bleiben die Chlamydieninfektionen oft unentdeckt und die Erreger können unbewusst weitergegeben werden. Manchmal wird erst bei einem unerfüllten Kinderwunsch festgestellt, dass Betroffene mit Chlamydien infiziert sind oder waren. Die Autoren der Studie [26] weisen bereits 2005 darauf hin, dass es eine sehr hohe Dunkelziffer von Chlamydiose gibt und es deutschlandweit an Aufklärung fehlt. Über ein Jahrzehnt später scheint die Aufklärung, vor allem in Schulen, noch immer mangelhaft zu sein [28, 29]. Die Seite des RKI über Chlamydien wurde übrigens 2010 das letzte Mal aktualisiert [30].

In Deutschland können junge Frauen bis 25 Jahre kostenlos ein jährliches Chlamydien-Screening durchführen lassen – leider nehmen nur wenige dieses Angebot in Anspruch. Um die Screening-Raten unter jungen Frauen in Deutschland zu erhöhen, werden seit April 2020 sogar zusätzliche Vergütungen an Praxen gezahlt, in denen mindestens 30 Prozent der Frauen unter 25 Jahren das kostenlose jährliche Screening vornehmen lassen [31].

Interne Datenanalyse

Anfragen von Online-Rezepten für Medikamente zur Behandlung von Chlamydien, Genitalherpes und Genitalwarzen wurden rückblickend für zwei Jahre (Mai 2019 bis April 2021) erhoben, doppelt anonymisiert und mit verschiedenen statistischen Methoden analysiert.

Für die einzelnen Anfragen erfolgte eine Zuordnung zu Städten und Gemeinden. Um Pro-Kopf-Berechnungen durchführen zu können, wurden die internen Daten mit den online verfügbaren Daten zu Einwohnerzahlen und Bevölkerungsdichten des Statistischen Bundesamtes angereichert [32].

Der Einfluss von Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen auf Neuinfektionen mit STI

Die Daten des RKI hinsichtlich Neuinfektionen mit HIV und Syphilis zeigen für 2020 niedrigere Werte als für das Vorjahr. Bei HIV ist bundesweit ein Rückgang um 22 Prozent zu verzeichnen, die Diagnosen von Syphilis haben von 2019 zu 2020 um 7 Prozent abgenommen. Ob es wirklich weniger Ansteckungen gab, oder ob diese durch weniger Testungen seltener entdeckt wurden, kann nicht differenziert werden. Auch diverse Studien aus anderen Ländern liefern keine eindeutigen Ergebnisse.

Interne Daten von Fernarzt (Abb. 8) zeigen sinkende Zahlen bei den Behandlungen von Chlamydien während der Corona-Lockdowns. Jeweils im Monat nach dem ersten und zweiten Lockdown gab es einen leichten Anstieg hinsichtlich Anfragen für Rezepte für Medikamente gegen Chlamydien. Diese Infektion ist durch ihre Inkubationszeit von etwa 1 bis 3 Wochen ein guter allgemeiner Indikator für kürzlich erfolgte ungeschützte Sexualkontakte. Jedoch sollte dabei auch bedacht werden, dass bei 8 von 10 Frauen die Chlamydieninfektionen asymptomatisch verlaufen und somit oft unentdeckt bleiben [27].

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Abbildung 8: Anfragen für Rezepte für Medikamente zur Behandlung von Chlamydien beim Telemedizin-Anbieter Fernarzt, April 2020 bis April 2021.

Zusätzlich zum leichten Anstieg der Rezeptanfragen im Anschluss an die Lockdowns gab es im Oktober 2020 bei Fernarzt eine hohe Nachfrage für Chlamydien-Behandlungen. Abfragen bei Google Trends mit dem Suchwort “Chlamydien” ergaben ein Allzeithoch für den Zeitraum vom 18. bis 24. Oktober 2020 [33]. Der Unterschied zur Vorwoche betrug +150 Prozent.

Nachdem ausgeschlossen wurde, dass in dieser Zeit weder deutschlandweite Ereignisse zu vermehrten Infektionen geführt haben noch neue Studienergebnisse zu einem erhöhten Interesse in der Allgemeinbevölkerung beigetragen haben könnten, ergab eine Internetrecherche ein unerwartetes Ergebnis:

Am 20. Oktober 2020 wurde in der RTL-Serie “Gute Zeiten, schlechte Zeiten” (GZSZ, Folge 7117) eine Ansteckung mit Chlamydien thematisiert [34]. Da keine weiteren Faktoren identifiziert werden konnten, die für einen Anstieg des Suchvolumens für “Chlamydien” bei Google in Frage kommen, scheint das Aufgreifen dieser Geschlechtskrankheit in einer unter Jugendlichen beliebten Fernsehserie für den immensen Anstieg verantwortlich zu sein.

Die Thematisierung von Chlamydien in der Serie GZSZ scheint die Ursache für einen Anstieg von 150 Prozent im Suchvolumen bei Google zu sein.

In Ballungsräumen und Großstädten gibt es mehr Geschlechtskrankheiten

Die in den vorherigen Kapiteln evaluierten Zahlen belegen, dass in Großstädten und Ballungsräumen deutlich höhere Inzidenzen (jährliche Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner) für Geschlechtskrankheiten vorliegen. Werden von dort auch mehr Online-Rezepte für Medikamente zur Behandlung von STI angefragt?

Berlin hat mit 4.188 Einwohnern pro km² die mit Abstand höchste Bevölkerungsdichte der deutschen Bundesländer, Hamburg folgt mit 2.446 Einwohnern pro km² auf Platz 2 [32]. Aus diesen beiden Stadtstaaten wurden die meisten Pro-Kopf-Anfragen für Medikamente gegen Chlamydien, Genitalwarzen und Genitalherpes gestellt – allerdings in umgekehrter Reihenfolge (Fernarzt-Faktor Hamburg 1, Berlin 0,98). Bremen hat die dritthöchste Bevölkerungsdichte (1.624 Einwohner pro km²), liegt jedoch bei den Pro-Kopf-Anfragen nur auf Rang 12 (Fernarzt-Faktor 0,49) und hat damit nur etwa halb so viele Anfragen pro Einwohner wie Hamburg oder Berlin.

Mecklenburg-Vorpommern hat die geringste Bevölkerungsdichte (69 Einwohner pro km²) und liegt hinsichtlich der Anfragen für Rezepte bei STI auf einem geteilten Platz 8 (Fernarzt-Faktor 0,51). Die interaktive Deutschlandkarte in Abbildung 9 zeigt den bundesweiten Vergleich der Anforderungen für Medikamente gegen STI.

Der Fernarzt-Faktor

Für eine bessere Vergleichbarkeit der vorliegenden Daten haben wir den Fernarzt-Faktor eingeführt.

Eingehend wurden die Anfragen für Online-Rezepte zur Behandlung der STI Chlamydien, Genitalherpes und Genitalwarzen pro Gemeinde bzw. Stadt erfasst. Um die Zahlen ins Verhältnis zu den Einwohnerzahlen zu setzen, also um Pro-Kopf-Werte zu generieren, wurde die Anzahl der Einwohner der jeweiligen Stadt durch die Anzahl der Anfragen geteilt. Somit erhält man eine sperrige Zahl, die den Wert “eine Bestellung pro X Einwohner” wiedergibt. Diese Zahl ist schlecht zu erfassen, da hier gilt: je niedriger die Zahl, desto mehr Anfragen pro Einwohner. Um dieses Verhältnis umzukehren, wurde diese Zahl als Divisor und die Zahl 1 als Dividend eingesetzt (1 : X). Die entstandene Dezimalzahl war noch immer schlecht zu erfassen, deshalb wurde der höchste Wert als Fernarzt-Faktor = 1 gesetzt und alle anderen Werte daran skaliert.

Abbildung 9: Bundesweiter Vergleich der Anforderungen für Medikamente gegen sexuell übertragbare Infektionen. Pro-Kopf-Häufigkeit der Anfragen von Online-Rezepten für Medikamente gegen Chlamydien, Genitalwarzen und Genitalherpes beim Telemedizin-Anbieter Fernarzt.

Tabelle 1 zeigt neben dem Fernarzt-Faktor auch die Inzidenzen für HIV und Syphilis und die Bevölkerungsdichte der Bundesländer. Der generelle Trend zeigt, dass eine hohe Bevölkerungsdichte (Berlin und Hamburg) sowohl mit einem hohen Fernarzt-Faktor als auch hohen Inzidenzen für HIV und Syphilis einhergeht. Allerdings gibt es schon bei Bremen, wo die dritthöchste Bevölkerungsdichte herrscht, einen Ausreißer nach unten in Bezug auf den Fernarzt-Faktor.

Tabelle 1: Demographie der Rezeptanfragen für Medikamente zur Behandlung von sexuell übertragbaren Infektionen. Vergleich von Fernarzt-Faktor, den Inzidenzen von HIV und Syphilis von 2020 [10] und der Bevölkerungsdichte [32].

Aus diesen Städten kommen die meisten Anfragen für STI-Behandlungen bei Fernarzt

Die interaktive Deutschlandkarte in Abbildung 10 zeigt die Städte (über 100.000 Einwohner) mit den meisten Pro-Kopf-Anfragen für Medikamente gegen STI (Chlamydien, Genitalwarzen, Genitalherpes) beim Telemedizin-Anbieter Fernarzt.

Abbildung 10: Top 10 Städte telemedizinische Versorgung mit Medikamenten gegen sexuell übertragbare Infektionen. Städte ab 100.000 Einwohner mit den meisten Anfragen (pro Einwohner) für Rezepte für Medikamente gegen Chlamydien, Genitalwarzen und Genitalherpes beim Telemedizin-Anbieter Fernarzt.

Bei den Top 10 der Städte mit den meisten Anfragen für STI-Behandlungen sind vier Städte dabei, die auch schon bei der Auswertung zum Bestellverhalten hinsichtlich der Antibabypille (Fernarzt-Studie: Die Antibabypille im Fokus der Telemedizin) unter den Top 10 waren. Weitergehende Auswertungen haben ergeben, dass diese Städte (Trier, Leipzig, Oldenburg (Oldb) und Regensburg) auch bei der Gesamtnutzung der telemedizinischen Angebote von Fernarzt weit vorne liegen (Plätze 1, 2, 9, 13). Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bewohner der hier aufgelisteten Städte in den Top 10 und Flop 10 besonders viele bzw. besonders wenige Geschlechtskrankheiten haben.

Die Stadt Bottrop liegt bei der Gesamtnutzung von Fernarzt im Mittelfeld, bei der Antibabypille weit vorne (Platz 7 in den Top 10) und bei den Geschlechtskrankheiten weit hinten (Platz 3 in den Flop 10). Hier scheint das Anfragevolumen hinsichtlich der Antibabypille deutlich nach oben auszuschlagen und hinsichtlich der Medikamente gegen STI sehr deutlich nach unten. Die Inzidenzen für Syphilis und HIV [10] liegen im unteren Mittelfeld bzw. im niedrigen Bereich. Möglicherweise besteht hier tatsächlich ein Zusammenhang zwischen unterdurchschnittlich vielen Ansteckungen mit STI und einem geringen Anfragevolumen von STI-Medikamenten bei Fernarzt.

TOP 10
Städte mit den meisten Pro-Kopf-Anfragen für STI-Rezepte (über 100.000 Einwohner)
  1. Leipzig (Sachsen)
  2. Trier (Rheinland-Pfalz)
  3. Oldenburg (Oldb) (Niedersachsen)
  4. Koblenz (Rheinland-Pfalz)
  5. Jena (Thüringen)
  6. Dresden (Sachsen)
  7. Köln (Nordrhein-Westfalen)
  8. Hamburg
  9. Regensburg (Bayern)
  10. Frankfurt am Main (Hessen)
FLOP 10
Städte mit den wenigsten Pro-Kopf-Anfragen für STI-Rezepte (über 100.000 Einwohner)
  1. Hagen (Nordrhein-Westfalen)
  2. Siegen (Nordrhein-Westfalen)
  3. Bottrop (Nordrhein-Westfalen)
  4. Oberhausen (Nordrhein-Westfalen)
  5. Herne (Nordrhein-Westfalen)
  6. Solingen (Nordrhein-Westfalen)
  7. Osnabrück (Niedersachsen)
  8. Freiburg i. Breisgau (Baden-Württemberg)
  9. Bremerhaven (Bremen)
  10. Recklinghausen (Nordrhein-Westfalen)

Geschlechtskrankheiten im Fokus der Telemedizin

Bei bekannten Infektionen (des Partners), vorliegenden positiven Testergebnissen oder sehr eindeutigen Symptomen kann auch bei Geschlechtskrankheiten eine telemedizinische Beratung und Behandlung stattfinden. Vergleicht man die verschiedenen Anbieter, so ist festzustellen, dass vor allem die medikamentösen Behandlungen von Chlamydiose, Genitalherpes und Genitalwarzen dazuzählen.

In den letzten Monaten gab es zusehends mehr Angebote für Heimtests, welche bei Verdacht auf verschiedenste STI durchgeführt werden können. Dabei ist zu beachten, dass die Arten von Tests, die komplett zu Hause durchgeführt werden, eine geringere Aussagekraft besitzen. Besser sind diejenigen Varianten, bei denen Körperflüssigkeiten an ein Labor gesendet und dort analysiert werden. Vorteil dabei ist eine deutlich verringerte Hemmschwelle. Nachteil sind einerseits die Kosten, die auch bei deutlichen Symptomen selber getragen werden müssen und eine fehlende Betreuung der Patienten.

Sinnvoll können diese Tests zu Beginn einer neuen Partnerschaft sein, wenn die Beteiligten sich gegen eine Ansteckung absichern wollen. In diesen Fällen werden die Kosten nämlich selbst bei einem Arztbesuch nicht durch die Krankenkassen übernommen (wenn die Personen keine Symptome haben).

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Abbildung 11: Infografik mit Fakten zu STI in Deutschland [9, 14, 24, 33].

Weitere Ausbreitung von STI in Deutschland verhindern

Die vorliegenden Daten zu den Geschlechtskrankheiten liefern Grund zur Besorgnis. Zwar sind die Zahlen der HIV-Neuinfektionen seit 2015 wieder leicht rückläufig, jedoch scheinen die anderen sexuell übertragbaren Infektionen in Deutschland wieder stark zuzunehmen. Für Syphilis ist diese Zunahme mit statistischen Zahlen belegbar: In den letzten 20 Jahren haben sich die jährlichen Neuinfektionen nahezu vervierfacht. Für viele andere bedeutende Geschlechtskrankheiten gibt es in Deutschland jedoch keine Meldepflicht und somit keine belastbaren Daten.

Besonders erwähnenswert sind Infektionen mit Chlamydien. Diese verlaufen meist asymptomatisch und bleiben somit häufig unentdeckt. Die Tücke der Chlamydiose liegt darin, dass sie auch ohne Symptome zu Unfruchtbarkeit führen kann, was meist erst Jahre später bemerkt wird. Es wird vermutet, dass jede 4. bis 5. genitale Chlamydieninfektion bei Frauen eine Sterilität zur Folge hat und dadurch etwa 100.000 Frauen in Deutschland ungewollt kinderlos sind [24].

Der Bund hat sich 2016 mit der “Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen” und der Gründung der Plattform “Liebesleben” den Kampf gegen STI auf die Fahne geschrieben – bisher scheint diese Initiative allerdings kaum zu fruchten. Die im Rahmen dieser Studie angestellten Analysen haben gezeigt, dass mit nur einer Folge “Gute Zeiten, schlechte Zeiten” weitaus mehr bewegt wurde. Wünschenswert wäre eine Meldepflicht, mindestens für Chlamydieninfektionen, um sowohl den aktuellen Stand als auch die weitere Entwicklung der Inzidenzen aufzudecken.



Quellen

  1. Study traces origins of syphilis in Europe to New World | CBC News. CBC. 2008. https://www.cbc.ca/news/science/study-traces-origins-of-syphilis-in-europe-to-new-world-1.717866 (zugegriffen 11. August 2021)

  2. Andrews E: 7 Unusual Ancient Medical Techniques. HISTORY. https://www.history.com/news/7-unusual-ancient-medical-techniques (zugegriffen 11. August 2021)

  3. Schmid S: The discovery of HIV-1. Nature portfolio – Milestones. 2018. https://www.nature.com/articles/d42859-018-00003-x (zugegriffen 11. August 2021)

  4. LIEBESLEBEN - Initiative zur Förderung sexueller Gesundheit der BZgA. LIEBESLEBEN. https://www.liebesleben.de/ueber-liebesleben/ (zugegriffen 11. August 2021)

  5. Fact sheet - Latest global and regional statistics on the status of the AIDS epidemic. UNAIDS. 2021. (zugegriffen 11. August 2021) | nicht mehr verfügbar, neue Version unter https://www.unaids.org/en/resources/documents/2023/UNAIDS_FactSheet

  6. Krause-Kyora B, Susat J, Key FM, et al.: Neolithic and medieval virus genomes reveal complex evolution of hepatitis B. Elife 2018; 7: e36666.

  7. Behringer A: Bluttransfusionen: so sicher wie nie und unverzichtbar. Healthcare in Europe. 2019. https://healthcare-in-europe.com/de/news/bluttransfusionen-so-sicher-wie-nie-unverzichtbar.html (zugegriffen 11. August 2021)

  8. Strategie zur Eindämmung sexuell übertragbarer Infektionen. Bundesministerium für Gesundheit. 2016. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Praevention/Broschueren/Strategie_BIS_2030_HIV_HEP_STI.pdf (zugegriffen 11. August 2021)

  9. GeSiD-Studie zu Gesundheit und Sexualität in Deutschland. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. 2020. https://www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/pressemitteilungen/daten_und_fakten/Infoblaetter-GeSiD.pdf (zugegriffen 11. August 2021)

  10. SurvStat@RKI 2.0. Robert Koch-Institut. https://survstat.rki.de/ (zugegriffen 11. August 2021)

  11. RKI-Ratgeber - HIV-Infektion/AIDS. Robert Koch-Institut. 2018. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_HIV_AIDS.html (zugegriffen 11. August 2021)

  12. Fact sheet HIV/AIDS. WHO World Health Organization. 2021. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/hiv-aids (zugegriffen 11. August 2021)

  13. Robert Koch-Institut: Gonorrhoe und Syphilis in Deutschland bis zum Jahr 2000. Epidemiologisches Bulletin 38/2001.

  14. Robert Koch-Institut: Syphilis in Deutschland 2019 – Neuer Höchststand von Infektionen. Epidemiologisches Bulletin 49/2020.

  15. Stoltey JE, Cohen SE: Syphilis transmission: a review of the current evidence. Sex Health 2015; 12: 103–9.

  16. Fact Sheet Sexually transmitted infections (STIs). WHO World Health Organization. 2019. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/sexually-transmitted-infections-(stis) (zugegriffen 11. August 2021)

  17. Against the odds: what is your risk of getting an STD through a one-off heterosexual encounter? STD Center NYC. https://stdcenterny.com/articles/std-risk-with-one-time-heterosexual-encounter.html (zugegriffen 11. August 2021)

  18. Fact Sheet Hepatitis B. WHO World Health Organization. 2021. https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/hepatitis-b (zugegriffen 11. August 2021)

  19. Robert Koch-Institut: Virushepatitis B und D sowie Virushepatitis C im Jahr 2019. Epidemiologisches Bulletin 30/31 2020.

  20. Hepatitis B Impfung bei Kindern. https://www.impfen-info.de/impfempfehlungen/fuer-kinder-0-12-jahre/hepatitis-b.html (zugegriffen 11. August 2021)

  21. Pressemitteilung BZgA: Welt-HPV-Tag: Impfung kann junge Menschen vor späteren Krebserkrankungen schützen. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. 2021. https://www.bzga.de/presse/pressemitteilungen/2021-03-01-welt-hpv-tag-impfung-kann-junge-menschen-vor-spaeteren-krebserkrankungen-schuetzen (zugegriffen 11. August 2021)

  22. Arbyn M, Weiderpass E, Bruni L, et al.: Estimates of incidence and mortality of cervical cancer in 2018: a worldwide analysis. Lancet Glob Health 2020; 8: e191–203.

  23. Faktenblatt zur HPV-Impfung. Robert Koch-Institut. 2019. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Faktenblaetter/HPV.pdf?__blob=publicationFile (zugegriffen 11. August 2021)

  24. Keck C, Clad A: Infektionen in der Reproduktionsmedizin. Gynäkologe 2004; 37: 607–20.

  25. Nenoff P, Manos A, Ehrhard I, et al.: Nichtvirale sexuell übertragene Infektionen – Epidemiologie, Klinik, Labordiagnostik und Therapie. Hautarzt 2017; 68: 50–8.

  26. Gille G, Klapp C, Diedrich K, et al.: Chlamydien – eine heimliche Epidemie unter Jugendlichen. Deutsches Ärzteblatt 2005; 102: A 2021-2025.

  27. Chlamydien-Infektionen können unfruchtbar machen. Familienplanung | BZgA. 2018. https://www.familienplanung.de/kinderwunsch/fruchtbarkeitsstoerungen/chlamydien-infektionen (zugegriffen 11. August 2021)

  28. Gille G: Chlamydieninfektionen bei Mädchen und jungen Frauen – Aktuelle Daten, Ursachen und gesellschaftlicher Handlungsauftrag. Korasion 2018; 33: 31–6.

  29. Studie: Das lernen Schüler in den Bundesländer über Geschlechtskrankheiten. Fernarzt. 2019. https://www.fernarzt.com/wissen/studien/sti-report/ (zugegriffen 11. August 2021)

  30. RKI-Ratgeber - Chlamydiosen (Teil 1): Erkrankungen durch Chlamydia trachomatis. Robert Koch-Institut. 2010. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Chlamydiosen_Teil1.html (zugegriffen 11. August 2021)

  31. Neues Vergütungsmodell für Chlamydienscreening - Auch die Beratung wird jetzt bezahlt. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). 2020. https://www.kbv.de/html/1150_46273.php (zugegriffen 11. August 2021) | [09.08.2023: Seite nicht mehr erreichbar, Informationen abrufbar unter https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/113100/Chlamydienscreening-Auch-die-Beratung-wird-jetzt-bezahlt]

  32. Statistisches Bundesamt. 2020. https://www.destatis.de (zugegriffen 11. Mai 2021)

  33. Google Trends. Suchbegriff "Chlamydien". https://trends.google.de/trends/ (zugegriffen 11. August 2021)

  34. Im GZSZ-Kiez gehen die Chlamydien um. RTL. https://www.rtl.de/cms/im-gzsz-kiez-gehen-die-chlamydien-um-4634159.html (zugegriffen 11. August 2021) | [09.08.2023: Seite nicht mehr erreichbar, ähnliche Informationen unter https://www.rtl.de/videos/timur-uelker-ruft-auf-benutzt-kondome-5f8d75ecaa973c4f4c7797de.html]

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