60 Prozent aller Schwindelzustände können keiner ursächlichen Erkrankung zugeschrieben werden und klingen nach einiger Zeit von selbst ab.
Schwindel ist keine eigenständige Erkrankung, sondern tritt als Symptom im Rahmen verschiedenster Pathologien auf. Nicht immer lässt sich die zugrundeliegende Krankheit genau benennen. Schwindel ist deshalb für viele Betroffene eine große psychische Belastung.
- Das Gleichgewichtsorgan befindet sich im Innenohr.
- Es wird fachsprachlich Vestibularorgan genannt.
- Schwindel muss nicht von einer Störung des Gleichgewichtsorgans kommen.
- Es existieren viele sogenannte nicht-vestibuläre Ursachen für Schwindel
Was ist Schwindel?
Der Begriff Schwindel beschreibt im Allgemeinen die Störung des räumlichen Empfindens. Dabei sind zwei Arten von Schwindel zu unterscheiden:
Systematisch-gerichteter Schwindel (Vertigo) mit Entstehen einer Bewegungsillusion als eigentlicher Schwindel im engeren Sinne.
Ungerichtetes Schwindelgefühl (dizziness) ohne Bewegungsillusion, eher als allgemeines Unwohlsein oder Gefühl von Benommenheit.
Schwindel – Ursachen
Die Ursachen für Schwindel sind vielfältig und nicht immer genau abgrenzbar. Eine wichtige Erkenntnis für die weitere Behandlung des Schwindels ist die Unterscheidung von vestibulären Ursachen (Schwindel basierend auf Störungen des Gleichgewichtsorgans im Innenohr) und nicht-vestibulären Ursachen. Die nicht-vestibulären Ursachen können auf Störungen des zentralen oder peripheren Nervensystems, des Herz-Kreislauf-Systems, der Augen oder der Psyche zurückzuführen sein.
Vestibuläre Ursachen für Schwindel
Als vestibuläre Ursachen für Schwindel werden Erkrankungen des Gleichgewichtssinnes im Innenohr bezeichnet. Das Innenohr ist der Teil des menschlichen Ohrs, der sich im knöchernen Schädel befindet. Es besteht aus Gehör und Gleichgewichtsorgan und steht über seine Nervenbahnen im ständigen Austausch mit dem Gehirn. Das Gleichgewichtsorgan (Vestibularapparat) besteht aus drei Bogengängen und zwei sogenannten Makulaorganen. Sie beinhalten Flüssigkeit und Haarzellen, die für die Übersetzung mechanischer Signale aus dem Innenohr in elektrische Nervensignale verantwortlich sind. Im Innenohr werden die Lage des Körpers im Raum sowie Beschleunigungskräfte wahrgenommen und an das Gehirn weitergegeben. Bei Erkrankungen des Innenohrs können diese Signale verfälscht sein, dann kommt es zu Schwindel.
Hinweise auf vestibuläre Störungen geben anfallsartiger, plötzlicher Schwindel sowie Schwindel bei Bewegung. Dabei reichen schon kleine Bewegungen des Kopfes, sodass es auch zu Schwindel im Liegen kommen kann. Durch die fälschlicherweise entstehenden Bewegungsillusionen passen die Informationen des Gleichgewichtssinnes nicht mit den Informationen der anderen Sinne zusammen. Das Gehirn kann die unterschiedlichen Informationen nicht zuordnen, sodass plötzlicher Schwindel, Übelkeit und Erbrechen auftreten können.
Vestibulärer Schwindel
Paroxysmaler benigner Lagerungsschwindel (BPLS) ist eine Störung des Gleichgewichtssinnes durch Herauslösen kleiner Kristalle, die normalerweise in die Makulaorgane des Innenohrs eingelagert sind. Diese schwimmen dann frei in der Flüssigkeit der Bogengänge und imitieren Bewegung. Es kommt zu anfallsartigem Schwindel bei Kopfbewegung.
Morbus Menière ist eine Erkrankung des Innenohrs, bei der es anfallsartig zu Schwindel, Tinnitus und Hörminderung kommt. Oft treten Schwindel und Übelkeit mit Erbrechen gemeinsam auf. Die Ursache der Erkrankung ist nicht vollständig geklärt. Man geht von einer Zunahme der Innenohrflüssigkeit und damit einhergehend gesteigertem Druck im Innenohr aus.
Neuropathia vestibularis und bilaterale Vestibulopathie beschreiben die ein- oder beidseitige Störung des Gleichgewichtsnervs. Dieser gibt Informationen aus dem Gleichgewichtsorgan nicht mehr korrekt an das Gehirn weiter. Ursächlich sind meist Nervenentzündungen bei einseitiger Funktionsstörung. Die bilaterale (beidseitige) Vestibulopathie tritt häufig idiopathisch (ohne erkennbare Ursache) oder als Medikamentennebenwirkung auf.
Als zentral-vestibuläre Störungen werden Schädigungen in den für Gleichgewicht zuständigen Arealen des Gehirns bezeichnet. Zu diesen Arealen gehören insbesondere Teile des Hirnstammes und des Kleinhirns. Schlaganfälle oder Tumore können zentral-vestibulären Schwindel verursachen.
Vestibuläre Migräne ist eine spezielle Form der Migräne, die mit anfallsartigem Schwindel einhergeht. Schwindel und Kopfschmerzen treten meist zusammen auf, gelegentlich können die Kopfschmerzen ausbleiben. In diesen Fällen ist die Diagnosestellung der vestibulären Migräne sehr schwer.
Schwindel muss nicht immer Symptom einer Erkrankung im eigentlichen Sinne sein, sondern kann auch als Nebenwirkung von Medikamenten oder durch Intoxikation (Vergiftung) mit Substanzen wie Alkohol oder Drogen auftreten. Es kommt zum Gefühl der Benommenheit. Schwindel beschreibt in diesen Fällen eher ein Unwohlsein oder ein Unsicherheitsgefühl ohne eigentliche Bewegungsillusion.
Medikamente, die Schwindel als Nebenwirkung haben, sind unter anderem Beruhigungsmittel (Benzodiazepine), krampflösende Medikamente (Antikonvulsiva), Antidepressiva, Blutdrucksenker, Medikamente gegen Sodbrennen (Protonenpumpeninhibitoren) sowie Opioide (starke Schmerzmittel, z. B. Morphin).
Nicht-vestibuläre Ursachen für Schwindel
Ursachen für Schwindel, die nicht auf Störungen des Gleichgewichtsorgans beruhen, sind vielfältig. Häufig sind die Ursachen vergleichsweise harmlos: zu wenig Flüssigkeitszufuhr, Höhenschwindel oder Kinetosen (Schwindel durch ungewohnte Beschleunigung). Dem Schwindel können aber auch ernsthafte Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Halswirbelsäule, des Sehapparates oder des Nervensystems zugrunde liegen. Auch psychische Erkrankungen können mit Schwindel einhergehen.
Nicht-vestibulärer Schwindel
Das Feld der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die von Schwindel begleitet werden können, ist groß. Zugrunde liegende Ursachen sind meist eine Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff oder die fehlende Anpassungsfähigkeit des Gefäßsystems an schwankende Blutdrücke.
- Herzrhythmusstörungen: Herzrasen, zu langsamer oder unregelmäßiger Herzschlag führen zur Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff. Es kommt zu Schwindel und möglicherweise Ohnmacht.
- Orthostatischer Schwindel: Beim orthostatischen Schwindel kann sich das Gefäßsystem nicht schnell genug an einen Wechsel der Blutdruckverhältnisse anpassen. Klassisches Beispiel ist Schwindel beim Aufstehen. Begibt sich der Körper schnell aus der liegenden oder sitzenden Position ins Stehen, sackt eine große Menge Blut in kurzer Zeit mit der Schwerkraft in die Beine ab. Normalerweise ziehen sich die Gefäße in den Beinen reflexartig zusammen, um diesem Effekt entgegenzuwirken. Bei Bindegewebsschwächen oder altersbedingter Steifheit der Gefäße dauert diese Reaktion zu lang. Der Blutdruck und die Sauerstoffversorgung im Gehirn nehmen kurzfristig ab und es kommt zu Schwindel beim Aufstehen bis hin zur Ohnmacht. In der Regel lässt der Schwindel beim Hinlegen oder Hinsetzen zügig nach.
- Schwindel durch Dehydratation: Exsikkose bezeichnet den Zustand der „Austrocknung“ bei zu geringer Flüssigkeitszufuhr. Es kommt ebenfalls zu orthostatischem Schwindel. Dem liegt jedoch nicht eine fehlende Gefäßreaktion, sondern eine zu geringe Füllmenge der Gefäße bei zu niedrigem Blutvolumen zugrunde.
Im Rahmen von Infekten ist der Körper allgemein geschwächt, damit auch der Kreislauf. Tritt Fieber auf, geht zudem noch Flüssigkeit durch Schwitzen verloren. Durch erhöhten Flüssigkeitsbedarf und vermehrte Kreislaufbeanspruchung bei Infektionen kann Schwindel auftreten. Auch Impfungen verursachen eine Immunreaktion, die mit allgemeiner Schwäche, Fieber und Schwindel einhergehen kann. Aktuell berichten viele PatientInnen über Schwindel nach der Corona-Impfung.
Sehstörungen (Visusstörungen) sind Einschränkungen der Sehkraft, Störungen der Sehbahn im Gehirn oder Bewegungsstörungen der Augen. Im Gehirn kommen dann falsche Informationen an, die nicht mit den Informationen anderer Sinnesorgane zusammenpassen. Diese nicht übereinstimmenden Informationen verursachen Schwindel. Bei Visusstörungen treten häufig auch Schwindel und Kopfschmerzen gemeinsam auf.
Erkrankungen der Halswirbelsäule mit Schwindel bezeichnet man als sogenannten zervikogenen Schwindel. Verursacht wird der Schwindel durch Verspannungen der Muskulatur im Halsbereich oder durch knöcherne Veränderungen im Rahmen von Verletzungen oder Arthrose. Diese beeinträchtigen Nervenbahnen, welche Informationen über die Position des Kopfes an das Gehirn weiterleiten. Das Gehirn kann nicht genau einordnen, in welcher Lage sich der Kopf im Raum und in Bezug zum restlichen Körper befindet, das führt zu Schwindel.
Das Gehirn ist ständig auf Informationen aus dem ganzen Körper angewiesen, die die Position eines Körperteils und die Lage des Körpers im Raum wiedergeben. Nur so können zum Beispiel Bewegungen gezielt ausgeführt und Bilder richtig verarbeitet werden. Erkrankungen der sensiblen Nerven können zu Beeinträchtigungen der Informationsweiterleitung zum Gehirn führen und den Lagesinn ausschalten. Zu diesen Erkrankungen gehört Polyneuropathie. Diese kann idiopathisch (ohne erkennbare Ursache) oder als Folge von Diabetes, Alkoholismus, Nährstoffmangel, entzündlichen Erkrankungen und Infektionen auftreten.
Psychische Erkrankungen können Schwindel als Symptom haben. Insbesondere bei Angsterkrankungen und Depression kann der sogenannte phobische Schwankschwindel auftreten. Dieser ist gekennzeichnet durch typische schwankende Bewegungsillusionen ohne Begleitsymptome wie Übelkeit oder Erbrechen.
Als Kinetose werden Schwindel, Übelkeit und Erbrechen im Rahmen von ungewohnten Beschleunigungen bezeichnet. Damit sind Beschleunigungen wie beim Fliegen, Autofahren, in der Achterbahn oder auf einem Schiff gemeint. Reiseübelkeit zählt zu den Kinetosen. Durch die Bewegung und/oder Beschleunigung passen Informationen von Auge und Innenohr im Gehirn nicht zusammen und es kommt zu Schwindel. Höhenschwindel basiert auf dem gleichen Mechanismus. In großer Höhe verliert das Gehirn aufgrund der großen Entfernung Kinetosen und Höhenschwindel visuelle Fixpunkte, sodass auch hier die Informationen verschiedener Sinnesorgane nicht übereinstimmen.
Schwangerschaft stellt in vielerlei Hinsicht eine große Belastung für den Körper dar. Zu Schwindel kann es im Frühstadium im Rahmen der Schwangerschaftsübelkeit (Hyperemesis gravidarum) kommen. Viele Betroffene müssen sich in den ersten Monaten der Schwangerschaft häufig übergeben, der Körper verliert Flüssigkeit und damit auch Blutvolumen. Dies kann zu niedrigem Blutdruck und Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff führen.
Auch in späteren Schwangerschaftsmonaten kommt es zu Schwindel. Schwangerschaft bedeutet eine große Belastung für den Kreislauf. Die Hormone verursachen eine Auflockerung des Bindegewebes im ganzen Körper, um die Geburt zu erleichtern. Das schwächt auch die Anpassungsfähigkeit des Gefäßsystems und führt zu Schwindel beim Aufstehen oder langem Stehen.
Schwindel – Diagnostik
Bei wiederkehrender Schwindelsymptomatik sollte in jedem Fall ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden. In einem ausführlichen Anamnesegespräch werden die Umstände und die Art des Schwindels genauer geklärt. Anhand dieser Informationen kann ein Verdacht auf eine Ursache gestellt und der oder die Betroffene gegebenenfalls an einen Facharzt bzw. eine Fachärztin weitergeleitet werden. Das können HNO-ÄrztInnen, NeurologInnen, KardiologInnen oder PsychiaterInnen sein. ÄrztInnen der entsprechenden Fachrichtungen können weitere Untersuchungen durchführen.
Folgende Untersuchungen können zielführend sein:
Spezielle Brillen zur Beurteilung der Augenbewegung bei Verdacht auf vestibulären Schwindel
Beurteilung der Seh- und Hörkraft
Neurologische Untersuchungen
Untersuchungen des Gefäßsystems und des Kreislaufs
Bildgebende Verfahren wie zum Beispiel ein Herzultraschall
Schwindel – Behandlung
Schwindel stellt eine große körperliche und geistige Belastung dar. Die Behandlung des Symptoms ist sehr wichtig, um Stürzen oder Folgeerkrankungen vorzubeugen. Die Therapie richtet sich immer nach der Ursache des Schwindels. Ist eine bestimmte Erkrankung ursächlich, sollte diese entsprechend therapiert werden. Doch was tun gegen Schwindel?
Grundsätzlich ist es wichtig, auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten. Viel trinken beugt Blutdruckabfällen vor und verbessert die Organdurchblutung und damit die Sauerstoffversorgung. Auch Bewegung regt den Kreislauf an und trägt zur besseren Durchblutung bei. Regelmäßiger Ausdauersport stärkt außerdem Muskeln und Bindegewebe, vor allem in den Beinen (sogenannte Muskelpumpe). Das hilft, das Blut aus den Beinen leichter über die Venen zum Herzen zurückzutransportieren.
Bei bekannten Kinetosen und Höhenschwindel können bei unvermeidbarer Exposition Medikamente gegen Schwindel eingenommen werden.
Besteht der Verdacht auf Schwindel als Nebenwirkung bestimmter Medikamente, so sollten diese wenn möglich abgesetzt und durch Alternativen ersetzt werden.
Häufige Fragen zu Schwindel
Ursachen von Schwindel können Störungen des Gleichgewichtssinns sein. Andere Ursachen sind Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Halswirbelsäule, des Nervensystems und der Psyche, zu geringe Flüssigkeitsaufnahme, sowie Kinetosen und Höhenschwindel.
Viel trinken und Bewegung helfen häufig gegen Schwindel. Tritt Schwindel regelmäßig auf oder verstärkt er sich bei Bewegung des Kopfes, sollte ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden
Schwindel kann bei Flüssigkeitsmangel auftreten. Blutarmut bei Nährstoffmangel kann ebenfalls eine Ursache für Schwindel sein. Auch Mangel an Vitamin B12 kann in seltenen Fällen zu Polyneuropathie mit Schwindel führen.
Schwindelanfälle können Begleitsymptome wie Übelkeit, Kopfschmerzen und Erbrechen mit sich bringen sowie zu schweren Stürzen führen. Außerdem können sie Symptom potenziell behandlungsbedürftiger Erkrankungen sein. Im Zweifel sollte ärztlicher Rat eingeholt werden.
Schwindel im Liegen deutet auf eine Störung des Gleichgewichtssinns hin. Andere Ursachen sind Medikamentennebenwirkungen oder Alkoholkonsum. Bei anhaltendem Schwindel oder wiederkehrendem Schwindel im Liegen ohne erkennbare Ursache sollte ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden.
Quellen
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM): S3-Leitlinie „Akuter Schwindel in der Hausarztpraxis“. Langversion. AWMF-Register Nr. 053-018. 2016.
Schwindel. AMBOSS. 2021.https://www.amboss.com/de/wissen/Schwindel (zugegriffen am 22. April 2022)