Jeder Mensch hatte schon mal Schmerzen. Ob physisch oder psychisch bedingt, Schmerzen sollten stets ernst genommen werden. Obwohl der Schmerz von den Menschen verflucht wird, ist er durchaus nützlich und kann überlebenswichtig sein.
- Schmerzen weisen auf Bedrohungen oder Schäden im Körper hin.
- Schmerzen lassen sich in verschiedene Kategorien aufteilen, je nach Ursprung und Dauer.
- Die Schmerzreaktion des Körpers wirkt in beide Richtungen: Schmerzen können vom Organismus gehemmt oder intensiviert werden.
- Bei anormalen Schmerzen (Selbsteinschätzung) ist ein Arztbesuch indiziert.
Was versteht man unter Schmerz?
Schmerz wird als körperliche Empfindung definiert. Ausgelöst durch eine Krankheit, Verletzung oder seelische Bedrückung kann Schmerz in Dauer, Intensität und Art stark variieren.
Schmerzen sind immer ein Alarmsignal des Körpers, das zeigt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Wie gravierend die Funktionsstörung im Körper hinter dem Schmerz tatsächlich ist, lässt sich durch den Ausmaß des Schmerzes per se nicht sagen. Fakt ist aber, dass die Relevanz von Schmerz für die Gesundheit essentiell ist. Das erkennt man besonders an PatientInnen, die durch ein Syndrom nicht dazu in der Lage sind, Schmerzen zu empfinden. Das erscheint auf den ersten Blick für viele traumhaft.
Man würde die lästigen Kopfschmerzen nicht mehr spüren oder den kleinen Zeh, wenn er mal wieder die Ecke der Kommode mitgenommen hat. Aber wie hilfreich ist fehlendes Schmerzempfinden, wenn man eine Treppe runterstürzt und nicht merkt, dass der Arm gebrochen ist, weil man es außen nicht erkennt? Oder dass innere Organe geschädigt sind und Blutungen verursachen. In solchen Situationen kann Schmerz überlebensnotwendig sein.
Nicht jeder Schmerz ein gerissenes Organ oder ein gebrochener Knochen. Schmerz hat viele Formen und Eigenschaften. Ein Schmerz kann:
pochen/klopfen → Kopfschmerzen
brennen → Verbrennung
stechen → Wadenkrampf
drücken → Prellung
kribbeln → eingeschlafener Fuß
elektrisieren
Wie entsteht Schmerz?
Schmerz entsteht in mehreren Schritten durch die sogenannte Nozizeption, der Wahrnehmung von Reizen. Die Nozizeptoren (bestimmte Sensoren) nehmen beispielsweise am Arm einen Schmerzreiz wahr, weil sich jemand den Ellenbogen gestoßen hat. Daraufhin empfindet die Person aber noch nicht den eigentlichen Schmerz. Dazu muss der Reiz über bestimmte Nervenfasern an das Gehirn weitergeleitet werden, wo dann die Schmerzempfindung entsteht. Die Rezeptoren liegen vor allem unter der Haut, aber sind generell über den ganzen Körper verteilt und reagieren auf chemische, thermische und mechanische Einflüsse.
Bis hierhin wurde der Schmerz nur vom Körper nervlich wahrgenommen, in Form von elektrischen Impulsen entlang unserer Nerven. Die eigentliche Sinnesempfindung entsteht erst im Gehirn, explizit im Kortex. Das ist die Hirnrinde, auch graue Substanz genannt, die am Rand von Groß- und Kleinhirn liegt.
Dies dauert nur wenige Sekunden, sodass die Person den Schmerz unmittelbar nach dem Anstoßen des Ellenbogens verspürt. Das liegt daran, dass der Schmerzreiz binnen kürzester Zeit vom Ort der Verletzung an das Gehirn über die Nerven und das Rückenmark geleitet wird, sodass wir ihn unmittelbar nach der Schmerzeinwirkung auch “empfinden” können.
Wichtig ist, dass es einen Unterschied zwischen Schmerzwahrnehmung durch die Nozizeptoren und der Schmerzempfindung, die im Gehirn entsteht, gibt.
Schmerzformen
Unterscheidung nach Art und Ursprung
Keinesfalls sind alle Schmerzen gleich. Schmerzen können sich auf unterschiedliche Art und Weise äußern und können auch nach Arten und Ursprüngen unterschieden werden. Das Einzige, was sie alle gemeinsam haben, ist das Schmerzempfinden - wobei auch das variieren kann.
Teilt man die Schmerzen nach Ursprung in Kategorien ein, lassen sich folgende Entstehungsorte festlegen:
Haut (somatischer Oberflächenschmerz)
Muskeln (somatischer Tiefenschmerz)
Gelenke (somatischer Tiefenschmerz)
Knochen (somatischer Tiefenschmerz)
Bindegewebe (somatischer Tiefenschmerz)
Eingeweide (viszeraler Schmerz)
Unterschiedliche Arten von Rezeptoren sind mit unterschiedlichen Arten von Nervenfasern verbunden, die wiederum unterschiedlich schnell weiterleiten. Die Rezeptoren die auf Hitze und mechanischen Schmerz reagieren, sind beispielsweise mit viel schnelleren Nervenfasern verbunden, als Rezeptoren die eher auf Gewebeveränderungen reagieren, wie bei einer Verletzung. Das liegt natürlicherweise daran, dass bei einer akuten Gefahrensituation wie Hitze, schneller reagiert werden muss.
Man kann Schmerzen aber auch anhand ihrer Dauer unterscheiden. Dabei grenzt man akute Schmerzen von chronischen Schmerzen ab. Je nach Weiterleitung tritt die Schmerzwahrnehmung früher oder später auf.
Besondere Schmerzformen
Der akute und der chronische Schmerz decken bei weitem nicht alle Schmerzarten ab. Das Spektrum reicht weit darüber hinaus, denn es gibt auch besondere Schmerzformen, wie zum Beispiel den „projizierten Schmerz“ oder den “Phantomschmerz”.
Damit ist gemeint, dass der Schmerzreiz an einer Stelle im Körper, beispielsweise dem Ellenbogen, gesetzt wird. Wahrgenommen wird er aber an eine anderen Stelle, zum Beispiel in den Fingern. Das liegt daran, dass der Nerv, der gereizt wurde, ein größeres Versorgungsgebiet hat und nicht auf die irritierte Stelle beschränkt ist. Bei der Schmerzwahrnehmung wird der Schmerz also vom Ort der Reizung auf einen anderen Ort der Wahrnehmung projiziert.
Eine weitere Sonderform ist der Phantomschmerz. Damit ist per Definition die Empfindung in einer amputierten Gliedmaße gemeint. Das
Ursache von Phantomschmerzen
Die Ursache für Phantomschmerzen sind in gewisser Hinsicht ein Rätsel, denn nach einer Amputation werden aus dem amputierten Areal keinerlei Reize mehr an das Gehirn weitergeleitet. Wie kommt es also, dass 75 bis 80 Prozent dennoch Schmerzen empfinden?
Die Erklärung dafür ist nicht ganz einfach. Wie bereits erwähnt, werden die Signale des Schmerzreizes im Kortex (der Hirnrinde) verarbeitet. Dort gibt es verschiedene Areale, die die unterschiedlichen Körperteile repräsentieren. Diese unterschiedlichen Körperteile werden wie auf einer Landkarte im Kortex dargestellt, deshalb spricht man auch von den sogenannten kortikalen Karten.
Bei einer Amputation wird das entsprechende Körperglied zwar entfernt, das Areal im Kortex, das für die Schmerzempfindung in diesem Körperglied verantwortlich ist, bleibt jedoch erhalten.
Was passiert also mit diesem ungenutzten Teil des Gehirns? Die eigentliche Funktion dieses Hirnareals war die Verarbeitung von Signalen. Da dies nun nicht länger möglich ist, gehen Wissenschaftler davon aus, dass das Areal nun in gewisser Weise frei ist.
Das bedeutet aber nicht, dass es einfach im Gehirn vor sich hin lebt. Schließlich hat alles im Körper einen gewissen Nutzen. Es wird angenommen, dass dieser Teil des Gehirns sich neue Funktionen sucht, wie etwa die Übernahme der Signalverarbeitung aus Nachbarregionen. Das Gehirn wird also nach einer Amputation gewissermaßen neu strukturiert. In der Fachsprache wird diese Fähigkeit cortciale Plastizität genannt.
Es kann allerdings vorkommen, dass diese Umstrukturierung unvollständig oder falsch abläuft. Beispielsweise übernimmt einfach das Nachbarzentrum im Kortex das “verwaiste” Hirnareal und erweitert im Prinzip seine “Landesgrenzen”. Man spricht dann von einer sogenannte “Umkartierung".
Die Folge: Das Areal ist nun für mehrere Körperbereiche zuständig und projiziert bei einer Signalverarbeitung den Schmerz dadurch auch in die amputierten Region.
Das problematische dabei ist: Je größer die Umstrukturierung, desto stärker wird der Schmerz im Nachhinein empfunden.
Wie reagiert der Körper auf Schmerzen?
Jeder nimmt Schmerzen anders wahr. Das heißt aber nicht, dass ein besonders intensiv wahrgenommener Schmerz einer intensiven Reizung zugrunde liegt. Andersherum ist es möglich, dass ein intensiver Reiz weniger intensiv wahrgenommen wird.
Die sogenannte Schmerzmodulation (= Regulierung der Schmerzwahrnehmung) kann Schmerzen sowohl mindern, als auch verstärken. Verantwortlich für eine Minderung sind sogenannte absteigende Bahnen aus dem Gehirn, die entweder direkt über eine Nervenfaser den Schmerzrezeptor unterdrücken, oder über Opioide die Intensität der Weiterleitung unterdrücken. Eine Verstärkung des Schmerzes kann durch die erhöhte Sensibilisierung der Rezeptoren ausgelöst werden. Bestimmte Mediatoren werden beispielsweise von verletztem Gewebe ausgeschüttet, was zu einer erniedrigten Reizschwelle der Schmerzrezeptoren führt. So werden kleine Veränderungen schneller als Schmerz wahrgenommen.
Den Schmerz durch körpereigene Opioide hemmen?
Von Opioiden haben viele schon mal etwas gehört. In Stresssituationen produziert der Körper in Reaktion von Signalen vom Gehirn körpereigenen Opioide. Sie sorgen für eine kontinuierliche aktive Hemmung der Schmerzreiz Weiterleitung, sodass der Schmerz nicht mehr in seiner vollen Intensität verspürt wird.
Ein Beispiel dafür ist die Situation eines Unfalls. Der Körper ist extremem Stress ausgesetzt, und das Gehirn veranlasst die Ausschüttung der körpereigenen Opioide. Diese steigern die Schmerzhemmung noch weiter als gewöhnlich, damit der Schmerz zunächst nicht oder nur abgeschwächt wahrgenommen wird. Diese Wirkung ebbt aber mit der Zeit wieder ab.
Achtung: Die körpereigene Opioide sind klar von den synthetischen Opioiden abzugrenzen. Die synthetischen Opioide werden beispielsweise zur Schmerztherapie eingesetzt. Sie haben nichts mit den körpereigenen zu tun und bei der Einnahme dieser Art von Opioiden ist besondere Vorsicht geboten, weil sie Nebenwirkungen haben können wie sehr starke Abhängigkeit.
Warum quält uns unser Körper unnötig weiter?
Es gibt bestimmte Mechanismen im Körper, die unsere Schmerzwahrnehmung intensivieren. Aber nicht etwa, um uns noch mehr zu quälen als ohnehin schon, sondern um uns zu sensibilisieren und schützen.
Wenn Gewebe durch eine Verletzung beschädigt wird, werden Substanzen freigesetzt, die zusätzliche Nozizeptoren aktivieren und vorhandene sensibilisieren. Auch können Schmerzrezeptoren selber zusätzliche Faktoren ausschütten, die die Schmerzempfindlichkeit erhöhen.
Die Wirkung: Selbst leichte Reize lösen Schmerzen aus. Das Ziel: Die Schmerzempfindlichkeit erhöhen und die Reizschwelle der Nozizeptoren senken.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Sonnenbrand, also eine Entzündungsreaktion der Haut. Daraufhin werden sogenannte Entzündungsmediatoren (= Entzündungsvermittler) ausgeschüttet und es kommt zur Sensibilisierung der Nozizeptoren im Bereich der Verbrennung, sodass selbst leichte Berührungen der betroffenen Haut Schmerzen auslösen.
Ich bin nicht empfindlich. Ich habe einfach übersensibilisierte Nervensensoren!
Die Sensibilisierung kann allerdings in beide Richtungen wirken. Negative Folgen hat sie dann, wenn selbst bei kleinen Schmerzreizen deutlich intensivere Schmerzempfindungen ausgelöst werden - auch ohne entsprechende Verletzung. Man spricht dann von einer sogenannte Hyperalgesie (-algesie = Schmerzempfindung).
Schlecht ist es auch, wenn der Körper auch bei einfachen, normalerweise nicht schmerzhaften Berührung mit Schmerzempfindung reagiert. In diesem Fall spricht man von einer sogenannte Allodynie (-dynie = Schmerz).
Was tun, wenn der Körper schmerzt?
Es gibt keinen Grad der Schmerzempfindung, ab dem ein Arztbesuch indiziert ist. Sie können sich selbst am besten einschätzen. Beobachten Sie Ihren Schmerz. Wenn er von alleine wieder verschwindet, ist ein Arztbesuch selten notwendig. Sollte der Schmerz jedoch bleiben oder sich verschlimmern, oder besonders schlimm im Vergleich sein, sollten Sie zur Abklärung einen Arzt aufsuchen.
Bis dahin können Schmerzmittel erst einmal die Schmerzen lindern. Eine Dauermedikation mit Schmerzmitteln wirkt eher kontraproduktiv, da die Schmerzempfindlichkeit sich erhöhen kann. Sie schadet dem Körper langfristig, denn die eigentliche Ursache für Ihre Schmerzen bleibt ungeklärt.
Häufige Fragen zu Schmerzen
Schmerz wird als körperliche Empfindung definiert. Ausgelöst durch eine Krankheit, Verletzung oder seelische Bedrückung kann Schmerz in Dauer, Intensität und Art stark variieren.
Schmerz entsteht in mehreren Schritten durch die sogenannte Nozizeption, der Wahrnehmung von Reizen. Die Nozizeptoren (bestimmte Schmerzsensoren) nehmen beispielsweise am Arm einen Schmerzreiz wahr, weil sich jemand den Ellenbogen gestoßen hat. Daraufhin empfindet die Person aber noch nicht den eigentlichen Schmerz. Dazu muss der Reiz über bestimmte Nervenfasern an das Gehirn weitergeleitet werden, wo dann die Schmerzempfindung entsteht. Sie liegen vor allem unter der Haut, aber sind generell über den ganzen Körper verteilt und reagieren auf chemische, thermische und mechanische Einflüsse.
Somatisch” betrifft das nicht kontrollierbare Nervensystem des Körpers. Somatische Schmerzen werden in Tiefen- und Oberflächenschmerz unterschieden. Der Tiefenschmerz rührt von den Knochen, Muskeln, Gelenken und Bindegewebe her. Wohingegen der Oberflächenschmerz meist in der Haut und Schleimhaut entsteht. Ein Beispiel dafür wäre ein Hautreizung durch eine Entzündung oder Verletzung.
Quellen
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Bernateck, M., Karst, M., et al.: Schmerzmedizin - 1000 Fragen. 2. Auflage. Thieme 2017.
Gallacchi, Pilger: Schmerzkompendium - Schmerzen verstehen und behandeln. 2. Auflage. Thieme 2005.
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Corves, A. (01.09.2011), Wenn die fehlende Hand schmerzt, Das Gehirn, unter https://www.dasgehirn.info/wahrnehmen/fuehlen/wenn-die-fehlende-hand-schmerzt [abgerufen am 27.02.2020]
Paradisi Redaktion, Medizinredakteure und Journalisten (14.02.2020), Unterschiedliche Empfindungsweisen von Schmerzen: stechend, brennend, klopfend und Co., Paradisi, unter http://www.paradisi.de/Health_und_Ernaehrung/Symptome/Schmerzen/Artikel/22357.php [abgerufen am 27.02.2020]