Sie sitzen abends vor dem Fernseher, schauen Ihre Lieblingsserie und auf einmal packt er Sie: der Heißhunger auf Süßes. Plötzlich können Sie an nichts anderes als Schokolade denken. Dabei haben Sie sich doch vorgenommen, weniger Süßes zu essen. Nach etwa 30-minütigem Ringen mit Ihrem Gewissen haben Sie eine Tafel Schokolade auf dem Schoß liegen. Es steht 1 zu 0 für den Heißhunger. Warum kommt es zu Heißhungerattacken und was hilft gegen Heißhunger? Fernarzt erklärt!
Was ist Heißhunger?
Heißhunger ist ein intensives und anhaltendes Verlangen nach einem bestimmten, meist hochkalorischen Lebensmittel. Viele haben Heißhunger auf Süßes wie Schokolade oder auf Salziges bzw. herzhafte Nahrung. Per Definition fällt es Personen schwer, auf das Lebensmittel zu verzichten, welchem der Heißhunger gilt.
Hunger ist dabei keine Voraussetzung für Heißhunger. Hunger beschreibt ein Grundbedürfnis, welches mit jeder Art von Essen gestillt werden kann. Beim Appetit, oder auch Heißhunger, kann das Verlangen nur mit bestimmten Lebensmitteln befriedigt werden.
Heißhunger wird oft auch mit problematischen, ungesundem Essverhalten in Verbindung gebracht, wie emotionalem Essen, der Binge-Eating-Störung und Erkrankungen wie Adipositas.
Meist treten Heißhungerattacken am Nachmittag oder Abend auf. Heißhunger kann mit verschiedenen körperlichen und psychologischen Prozessen einhergehen:
Erhöhter Speichelfluss
Veränderung der Herzfrequenz
Aktivierung von Hirnarealen, die mit Belohnung in Verbindung stehen
Gedanken an Essen
Drang zu essen
Wie entsteht Heißhunger?
Heißhunger kann verschiedene Auslöser haben.
Zu den physiologischen Auslösern gehört zu wenig Schlaf. Wer wenig schläft, hat am nächsten Tag mehr Appetit und ist anfälliger für Heißhunger. Zudem kursiert der Irrglaube, dass Heißhungerattacken durch Kalorien- oder Nährstoffdefizite ausgelöst werden. Der Körper würde nach dem verlangen, was er braucht. Doch warum verlangt er dann genau nach Schokolade, Chips oder Keksen?
In Studien konnte belegt werden, dass Heißhunger häufiger bei sehr eintöniger Ernährungsweise auftritt. Als Beispiel sind hier Shake-Diäten zu nennen, bei denen die Flüssigmahlzeiten ausreichend Energie und Nährstoffe enthalten. Der Heißhunger wird hierbei wohl dadurch getriggert, dass immer das gleiche gegessen wird und die Nahrungsaufnahme wenig befriedigend ist. Denn die Diät-Shakes sind meist nicht ansehnlich oder geschmacklich zufriedenstellend. Zudem fehlt das Ritual des Essens zu großen Teilen. Das Kauen, das Besteck, die kurze Pause, die Formen und Farben – all das fällt weg. So kommen Heißhungerattacken auf, obwohl der Körper mit ausreichend Energie und Nährstoffen versorgt ist.
Die Anfälligkeit für Heißhunger kann bei kurzfristigem und vor allem selektivem Vermeidverhalten, wie Diäten, gesteigert werden. Insbesondere wenn von einem auf den anderen Tag ganze Stoffklassen wie z.B. Kohlenhydrate unterbunden werden, kann der Heißhunger auf Süßes groß werden. Hingegen konnten zahlreiche Studien belegen, dass langfristige Kaloriendefizite, die zur gezielten Gewichtsabnahme eingesetzt werden, Heißhungerattacken sogar nachhaltig mindern können. Anders verhält es sich, wenn im Rahmen der Diät versucht wird, Hunger zu unterdrücken. Dies kann Heißhunger fördern.
Der Triggerpunkt “Diät” für Heißhungerattacken ist also unbedingt in Relation zu betrachten. Denn auch die psychische Komponente spielt eine große Rolle. Das Gefühl der Entbehrung kann zu Heißhungerattacken führen, selbst wenn ausreichend gegessen wird. Die konkrete Vermeidung kann die Gedanken an Essen und das Verlangen nach dem jeweiligen Lebensmittel zusätzlich steigern. Wer das Gefühl hat, sich selbst etwas zu verbieten, kann anfälliger für Heißhungerattacken werden. Auch Stress kann Heißhungergelüste verstärken.
Heißhunger kann auch ein konditioniertes, also erlerntes, Verhalten sein. Beispielsweise dann, wenn bestimmte Situationen oder Orte mit Essen in Verbindung gebracht werden. Wer beispielsweise immer beim Fernsehen isst, konditioniert sich selbst darauf, das Fernsehen mit Essen zu verbinden. So kann es immer wieder zu Heißhunger kommen, sobald ferngesehen wird. Heißhunger kann auch durch einen Gewöhnungseffekt entstehen. Wenn beispielsweise regelmäßig Zucker konsumiert wird, tritt eine Abhängigkeit ein, die ebenfalls mit Heißhunger einhergeht.
Heißhunger in der Schwangerschaft
Eine Studie hat den Heißhunger bei trächtigen Mäusen untersucht, um herauszufinden, warum Heißhunger in der Schwangerschaft so weit verbreitet ist.
Während der Tragezeit konnten bei den Mäusen Veränderungen der Gehirnkonnektivität festgestellt werden, die sich auf das Belohnungssystem im Gehirn auswirken. Die Signalübertragung an die Dopamin-D2-Rezeptoren wird verstärkt, was das Appetitverhalten und die Wahrnehmung von Belohnungsreizen intensiviert. Das Verhalten kann sich negativ auf die Entwicklung der Nachkommen auswirken. So besteht bei anhaltenden mütterlichen Heißhungergelüsten Gefahr für die Entstehung von Glukoseintoleranz, erhöhtem Körpergewicht sowie Anfälligkeit für die Entwicklung von Essstörungen oder Angststörungen im Erwachsenenalter der Mäuse.
Auch bei Menschen ist bei Heißhunger in der Schwangerschaft Vorsicht geboten, denn es besteht ein Risiko an Schwangerschaftsdiabetes zu erkranken. Schwangerschaftsdiabetes, medizinisch Gestationsdiabetes mellitus genannt, stimmt symptomatisch zu großen Teilen mit Typ-2-Diabetes überein. Ursache ist zum Teil genetische Veranlagung, aber auch das Alter der Mutter, sowie Übergewicht und der vermehrte Konsum zuckerhaltiger oder besonders fettiger Lebensmittel kann zur Entwicklung der Erkrankung beitragen.
Neben den Beschwerden für die Mutter bringt Schwangerschaftsdiabetes auch ein erhöhtes Risiko einer Frühgeburt mit sich und kann andere Geburtskomplikationen (z. B. Schulterdystokie, notwendiger Kaiserschnitt) zur Folge haben. Die Nachkommen von Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes weisen häufig ein hohes Geburtsgewicht sowie pathologische Glukosewerte auf. Auch die Rate an Fehlbildungen der Neugeborenen ist bei Schwangerschaftsdiabetes erhöht. Daher ist es auch im Rahmen der Schwangerschaft wichtig, sich ausgewogenen zu ernähren und moderat zu bewegen, um Schwangerschaftsdiabetes vorzubeugen.
Heißhunger vor der Periode
Die öffentliche Universität im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul konnte in einer Studie feststellen, dass das Verlangen nach zucker-, salz- und fettreichen Lebensmitteln während der prämenstruellen Phase etwa 5 Prozent höher ist als in der restlichen Zeit des Menstruationszyklus.
Eine Theorie, warum der Heißhunger vor der Periode stärker ausgeprägt ist, geht von einem Zusammenhang mit den Hormonschwankungen aus. In den Tagen vor der Regelblutung sinkt der Östrogen-Spiegel sinkt, während das Progesteron-Level steigt. Progesteron wird eine appetitsteigernde Wirkung zugeschrieben. Zudem reagieren Frauen in dieser Zyklusphase stärker auf Essensreize durch hochkalorische Lebensmittel.
Besonders im Zusammenhang mit dem Prämenstruellen Syndrom (PMS) wird Heißhunger als häufiges Symptom beschrieben. In einer Studie konnten bei Frauen mit PMDS (prämenstruelle, dysphorische Störungen) eine höhere Belohnungssensitivität, emotionale Reaktion, positive implizite Einstellung und ein stärkeres Verlangen nach zuckerhaltigen Lebensmitteln nachgewiesen werden.
Was hilft gegen Heißhunger?
Um Heißhunger zu stoppen, können einige Hausmittel von Nutzen sein. Hier können Sie vor allem mit Verhaltensänderungen und einem gesunden Lebensstil punkten.
Sollten die Heißhungerattacken ein erlerntes Verhalten sein, kann die Konditionierung auflöst werden. Über einen längeren Zeitraum von mehreren Wochen wird auf das Lebensmittel verzichtet, welches das Begierdeobjekt Ihres Heißhungers darstellt. Der Verzicht über mehrere Wochen soll das begehrte Lebensmittel von der Heißhunger-Situation entkoppeln. Nehmen wir das Beispiel des Schokoladen-Heißhungers beim Fernsehen. Vermeiden Sie es generell vor dem Fernseher zu essen. Während der Zeit des Verzichts, kann es auch helfen die Abendgestaltung mehr zu variieren: Lesen, mit Freunde treffen oder telefonieren sowie Sport. Es kann auch umkonditioniert werden, indem die Aktivität des Essens vor dem Fernseher gegen eine andere ersetzt wird. Umso länger verzichtet wird, desto weniger werden Sie durch Heißhungerattacken geplagt. Ein paar schokoladenfreie Wochen und die Gefahr einer Heißhungerattacke vor dem Fernseher schrumpft.
Intuitives Essen bzw. achtsames Essen kann helfen, Heißhunger zu stoppen. Dabei sollten Ablenkungen beim Essen vermeiden und bewusst gegessen werden, damit solche unterbewussten Verknüpfungen gar nicht erst entstehen. Dazu gehört auch sich nicht mit Essen zu belohnen oder Essen als Bewältigungsstrategie bei Stress und negativen Emotionen einzusetzen. Generell können Heißhungerattacken reduziert werden, wenn auf ausreichend Schlaf geachtet und Stress möglichst gemieden wird. Eine ausgewogene, vielseitige Ernährung trägt dazu bei, dass der Körper mit den Nährstoffen versorgt wird, die er braucht und keine Eintönigkeit aufkommt, die die Sensibilität für Essensreize verstärken würde. Eine allgemeine Ernährungsumstellung auf ballaststoffreiche Kost und nachhaltig sättigende Lebensmittel beugt Glucose- und Insulinspitzen und damit Heißhunger vor.
Häufige Fragen zu Heißhunger
Zuerst einmal sollte man sich für die Fressattacke keine Vorwürfe machen und damit andere ungesunde Ernährungsweisen fördern, wie beispielsweise am Folgetag extra wenig zu essen, um die Heißhungerattacke auszugleichen. Es sollte normal weitergegessen und auf eine ausgewogene Ernährung geachtet werden. Es kann helfen zu reflektieren, in welcher Situation es zu der Heißhungerattacke kam. Hatte man einen besonders stressigen Tag hinter sich oder musste negative Emotionen bewältigen? Wurde zuvor sehr unregelmäßig gegessen? Wurde am Vortag ausreichend geschlafen? Wer sein Verhalten versteht und nachvollziehen kann, was den Heißhunger auslöst, hat die Möglichkeit sein Verhalten zu ändern oder Trigger zu vermeiden.
Ist der Heißhunger einmal da, ist das Verlangen groß. Um Heißhunger zu vermeiden, eignen sich vor allem langfristige Verhaltensänderungen und ein gesunder Lebensstil. Stress sollte vermieden werden. Auch ausreichend Schlaf und eine ausgewogene, vielseitige Ernährung sind wichtig. Achtsames Essen kann dabei helfen, Heißhunger nicht zu konditionieren. Wer langfristig auf ein Lebensmittel verzichtet, was immer wieder Heißhunger auslöst, kann das Verlangen so nach und nach mindern.
Eine ausgewogene, vielseitige und ballaststoffreiche Ernährung sorgt für lange Sättigung und kann Heißhungerattacken vorbeugen. Es kann zudem helfen, appetitsteigernde Auslöser zu meiden, wie beispielsweise Stress oder zu wenig Schlaf.
Wer einmal zu viel isst, sollte am nächsten Tag normal weiter essen, denn Vermeidverhalten und die Unterdrückung von Hunger können Heißhungerattacken begünstigen. Bei enormem Völlegefühl können ein Spaziergang oder verdauungsfördernde Tees Abhilfe schaffen.
Heißhungerattacken können nicht in ein direktes Verhältnis mit einem Nährstoffdefizit gesetzt werden. Auch psychische Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Die Frage nach dem Grund für das Verlangen nach Zucker kann entsprechend nicht pauschalisiert beantwortet werden.
Quellen
Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG): S3-Leitlinie “Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge” Langversion. AMWF-Register Nr. 057-008. 2018.
Fahrenkamp AJ, Darling KE, Ruzicka EB, et al.: Food Cravings and Eating: The Role of Experiential Avoidance. Int J Environ Res Public Health 2019; 16: 1181.
Haddad-Tóvolli R, Ramírez S, Muñoz-Moreno E, et al.: Food craving-like episodes during pregnancy are mediated by accumbal dopaminergic circuits. Nat Metab 2022; 4: 424–34.
Hirschberg AL: Sex hormones, appetite and eating behaviour in women. Maturitas 2012; 71: 248–56.
Meule A: The Psychology of Food Cravings: the Role of Food Deprivation. Curr Nutr Rep 2020; 9: 251–7.
Souza LB, Martins KA, Cordeiro MM, et al.: Do Food Intake and Food Cravings Change during the Menstrual Cycle of Young Women? Rev Bras Ginecol Obstet 2018; 40: 686–92.
Soltanieh S, Solgi S, Ansari M, et al.: Effect of sleep duration on dietary intake, desire to eat, measures of food intake and metabolic hormones: A systematic review of clinical trials. Clin Nutr ESPEN 2021; 45: 55–65.
Yen JY, Chang SJ, Ko CH, et al: The high-sweet-fat food craving among women with premenstrual dysphoric disorder: emotional response, implicit attitude and rewards sensitivity. Psychoneuroendocrinology 2010; 35: 1203–12.