Worin haben Sie besondere Expertise?
Dr. med. Konstantin Lieder: Ich bin Allgemeinmediziner und habe Expertise in Allgemeinchirurgie, Gefäß- und Venenchirurgie sowie Notfallmedizin. In diesen Bereichen war ich wissenschaftlich und praktisch tätig. Ich war auch in der Abteilung für Innere Medizin, insbesondere Kardiologie und Gastroenterologie. In meiner Tätigkeit als Hausarzt verbinde ich all diese Gebiete. An einem Tag sehe ich PatientInnen in einer Altersspanne von 1,5 Jahren bis 102 Jahren. Die Beschwerden erstrecken sich von Sturz und blutiger Nase bis hin zu Herzinfarkt. Das ist die Breite meines Aufgabenbereichs, den ich abdecken muss.
Was eignet sich aus Ihrer Erfahrung heraus besonders gut für die Telemedizin?
Dr. med. Konstantin Lieder: In erster Linie kann man mit Telemedizin gut vorabschätzen, was der Mensch jetzt gerade braucht und ob er mittelfristig gefährdet ist oder nicht. Bei Bauchschmerzen zum Beispiel ist der Patient oder die Patientin nicht grundsätzlich gefährdet. Man muss jedoch eine Anamnese erheben und weitere Schritte abklären. Bei rechtsseitigen Unterbauchschmerzen kann eine Verweisung an ein Krankenhaus notwendig sein. Auch bei Frauen muss man etwas mehr nachfragen, da es hier z. B. auch eine Zyste am Eierstock sein kann. Sie können den PatientInnen in der Telemedizin eine Richtung geben, wie sie weiter verfahren müssen.
In Zeiten von Corona war der Zugang zu medizinischer Beratung in vielen Ländern schwierig. Ich bin in dieser Zeit einer Facebook-Gruppe beigetreten, in der sich russischsprachige PatientInnen aus aller Welt mit ihren medizinischen Fragen an ÄrztInnen wenden konnten. Beispielsweise war eine Frage: “Was muss ich tun, wenn mich eine Katze gebissen hat?” Hier kann man schon mit telemedizinischer Beratung viel helfen. Insbesondere in dem Bereich “Husten, Schnupfen, Heiserkeit” kann man viele Menschen vollständig telemedizinisch behandeln.
Warum haben Sie sich für Telemedizin entschieden?
Dr. med. Konstantin Lieder: Seit 2013 mache ich KV-Dienste (Ärztlicher Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung) in der Nacht. Sehr oft bin ich hier zu PatientInnen gefahren oder diese wurden in der Notfallpraxis vorstellig, obwohl das gar nicht notwendig war. Zu dieser Zeit dachte ich mir bereits, es wäre besser vorab mit den PatientInnen telefonisch zu sprechen, um nicht zu jedem zu fahren. Damals musste ich 10- bis 12-mal in der Nacht ausrücken. Durch die telefonische Beratung konnte ich diese Zahl reduzieren. Würde man hier eine Videosprechstunde anbieten könnte man Rezepte, Krankschreibungen und Beratungsgespräche noch besser abwickeln und Fahrtwege einsparen. Als ich das Angebot von Fernarzt gesehen habe, habe ich mich direkt gemeldet. Das ist mittlerweile fast ein Jahr her.
Ich bin schon lange an der Fernbehandlung interessiert. Besonders im ländlichen Bereich sind Arztbesuche für die PatientInnen mit Fahrtwegen und Wartezeiten verbunden. Die PatientInnen kommen dann zu mir in die Arztpraxis, um einen Laborbefund zu besprechen, oft um nur zu hören, dass alles in Ordnung ist. Das kann man auch telemedizinisch regeln und allen viel Zeit und vor allem Ressourcen sparen. Wenn ich 10-mal in der Nacht während eines Bereitschaftsdienstes rausfahre, verdiene ich zwar 1000 Euro, doch das Geld fehlt dann an anderer Stelle vielleicht einem Kinder- oder Frauenarzt in der Gemeinde.