Ist man mit 40 zu alt für ein Kind?
Dr. Heidi Gößlinghoff: Ich finde: Nein. Ich habe mein letztes Kind mit 49 Jahren bekommen. Das dürfen die Frauen je nach Lebensplanung selbst entscheiden. Frauen um die 40 sind heutzutage oft sehr fit. Da glaube ich nicht, dass man mit 40 zu alt ist.
Wir haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von 80 Jahren. Da kann man das Kind noch eine ganze Weile begleiten.
Wie lange dauert es mit 40 schwanger zu werden?
Dr. Heidi Gößlinghoff: Das kann ich gar nicht so genau beantworten. Es gibt Frauen, die problemlos schwanger werden. Es gibt aber auch Frauen, bei denen es sehr lange dauert. Das hängt von der individuellen Situation ab. Wenn jemand zum Beispiel wenige Eizellenreserven hat, das kann auch schon mit 36 Jahren der Fall sein, dann kann es länger dauern. Wenn jemand mit 42 Jahren noch sehr gute Eizellenreserven hat, kann es sehr schnell gehen. Ein weiterer Faktor, den man berücksichtigen muss: Hatte die Patientin zuvor eine Fehlgeburt? Mit erhöhtem Alter steigen auch die Raten für Fehlgeburten. Man geht ab 35 Jahren von einer Schwangerschaftsrate von 15 Prozent pro Zyklus aus, ab 44 Jahren liegt man bei ungefähr 5 Prozent. Es kann also länger dauern, ist aber durchaus den Versuch wert.
Wie viele Frauen bekommen mit 40 ein Kind?
Dr. Heidi Gößlinghoff: In den 70er Jahren lag das Durchschnittsalter für die erste Schwangerschaft der Frau bei 25 Jahren, in der ehemaligen DDR sogar bei 22 Jahren. Heute liegt das Durchschnittsalter zwischen 30 und 32 Jahren. Seit 1990 hat sich der Anteil der Mütter über 40 mehr als verdoppelt. Dieser Trend ist in den Städten ausgeprägter als auf dem Land. Mittlerweile empfinde ich es eher als eine Ausnahme, wenn ich eine schwangere Patientin habe, die erst 20 Jahre alt ist. Mit 35 oder 38 schwanger zu werden, ist völlig normal heutzutage.
Seit 1990 hat sich der Anteil der Mütter über 40 mehr als verdoppelt.
Welche Risiken bringt die späte Schwangerschaft mit sich?
Dr. Heidi Gößlinghoff: Das Risiko für Bluthochdruck und eine Blutzuckererhöhung (Diabetes) steigt. Auch das Risiko für eine Schwangerschaftsvergiftung oder eine unzureichende Versorgung des ungeborenen Kindes ist höher. Bei einer Schwangerschaftsvergiftung steigt der Blutdruck und es wird vermehrt Eiweiß über den Urin ausgeschieden. Es kann zu Krampfanfällen kommen, die lebensgefährlich für Mutter und Kind sind. Durch eine Fehlverteilung des Erbgutes kommt es häufiger zu Fehlgeburten.
Mittlerweile haben wir hier aber viel bessere Untersuchungsmethoden und Ultraschallgeräte als noch vor 10 oder 20 Jahren. Auch Veränderungen oder Fehlverteilungen des Erbguts können heute frühzeitig erkannt werden.
Was muss man vor und während der Schwangerschaft beachten, besonders bei einer späten Schwangerschaft?
Dr. Heidi Gößlinghoff: Ganz wichtig ist eine gesunde Lebensführung, die auf den Kinderwunsch einzahlt. Rauchen beispielsweise ist ein Zellgift und bringt Frauen 3 bis 5 Jahre früher in die Wechseljahre. Rauchen sowie Alkohol können zu Genveränderungen führen. Damit steigt die Fehlgeburtsrate. Wichtig ist auch eine gesunde Ernährung. Die zukünftige Mutter sollte gut mit allen Vitalstoffen, Vitaminen und Mineralien versorgt sein. Omega-3-Fettsäuren sind ebenfalls wichtig. Sport und ein gutes Gewichtsmanagement spielen eine große Rolle. Der BMI darf zwischen 19 und 24 liegen. Das ist der Bereich, in dem man am besten schwanger wird.
BMI = Body-Mass-Index
BMI = Körpergewicht : (Körpergröße)²
Maßeinheit = m/kg²
Können Sie eigene oder Erfahrungen Ihrer PatientInnen teilen mit Blick auf den späten Kinderwunsch?
Dr. Heidi Gößlinghoff: Ich habe meine ersten beiden Kinder mit 38 und 39 Jahren bekommen. Ich war also schon immer ein „Spätzünder“. Allerdings muss ich gestehen, dass einem bei fortgeschrittenem Lebensalter die Puste schneller ausgeht in der Schwangerschaft. Man braucht mehr Ruhepausen. Die Treppen nimmt man dann nicht mehr ganz so sportlich.
Kinder bleiben keine Babys. Irgendwann fangen sie an zu laufen und werden wieselflink. Da sollte man schon noch fit genug sein, um mit dem Kind mitzukommen.
Ich sehe aber auch, dass Frauen mit 40 beruflich angekommen sind und sich da ohne Probleme mal zurücknehmen können. Und sie haben einen gesünderen Lebensstil. Da brauche ich nicht über Nikotin oder lange Partynächte diskutieren.
Haben Sie noch Tipps für Frauen oder auch Paare für den Kinderwunsch mit 40?
Dr. Heidi Gößlinghoff: Ich empfehle früh in die Diagnostik zu gehen. Wie steht es um meine Eizellenreserve, wie um die Hormone, die Eileiter? Lassen Sie auf jeden Fall auch Ihren Partner untersuchen. Sollte es hier Probleme geben, sollte man sich schnell in Therapie begeben. Es gibt viele Dinge, die sich behandeln lassen. Ich finde Frauen sollten sich nicht davon abhalten lassen, spät Kinder zu bekommen.