Wer ist Miriam Mottl?
Miriam Mottl: Ich lebe in Österreich und betreue als Sexualtherapeutin und Paartherapeutin deutsche PatientInnen per Videosprechstunde. Ich bin Frauenärztin und arbeite als Oberärztin in der Uni-Klinik in Linz in der Kinderwunschabteilung als Reproduktionsmedizinerin. Mein Hauptschwerpunkt ist Sexualmedizin. Dort behandle ich Paare mit Kinderwunsch, Einzelpersonen mit sexualtherapeutischen Anliegen und bin auch beispielsweise Ansprechpartnerin für das Gebiet Transgender.
Wie hängen die Ernährung und der Kinderwunsch zusammen?
Miriam Mottl: Wir wissen, dass gewisse Spurenelemente wie Zink oder Folsäure die Fruchtbarkeit beeinflussen können. Da viele vor allem junge Leute im fruchtbaren Alter rauchen, kann der Speicher der Spurenelemente heruntergesetzt sein. Man braucht auf jeden Fall, Folsäure, Kalzium, Eisen, Vitamin B12 und Jod. Das sind so die Standards für die Schwangerschaft. Für Spermienqualität sind unter anderem Zink und Folsäure wichtig.
Welche Rolle spielt die Folsäure?
Miriam Mottl: Es gab mal eine Studie in der festgestellt wurde, dass Spina Bifida (offener Rücken) oft in Europa vorkommt, jedoch kaum in Australien. Spina Bifida ist recht häufig und betrifft 1 von 1000 Neugeborenen in Mitteleuropa.
In Rahmen der Studie wurde erkannt, dass die australischen Lebensmittel mit Folsäure versetzt sind. In Europa ist das Anreichern von Lebensmitteln mit Vitaminen nicht erlaubt. Es wird empfohlen, dass man mindestens 400 Mikrogramm Folsäure zu sich nimmt, beim Wunsch und während einer Schwangerschaft. Wenn man raucht, benötigt man mehr. Am besten sollte man mit der Einnahme beginnen, sobald man die Antibabypille absetzt, nicht erst wenn der Kinderwunsch da ist. Die Folsäure braucht einige Zeit, bis der notwendige Spiegel erreicht ist.
Ich empfehle eigentlich jeder Frau im geschlechtsreifen Alter mit Folsäure zu starten.
Wie kann sich Eisenmangel auf den Kinderwunsch auswirken?
Miriam Mottl: Wenn wir schwanger sind, produzieren wir nicht nur unser Blut, sondern auch das des ungeborenen Kindes. Wobei, diese Aussage ist nicht ganz richtig. Das Kind produziert das Blut selbst, jedoch mithilfe der Nährstoffe der Mutter. Darum ist Eisen in der Schwangerschaft wichtig. Außerdem sollte beachtet werden, dass der Eisenspeicher für die Geburt aufgefüllt ist. Man kann während der unkomplizierten Geburt bis zu einem halben Liter Blut verlieren. Eisen sollte nicht mit Milchprodukten eingenommen werden, besser mit Vitamin C. Dieses unterstützt die Eisen-Aufnahme. Früher wurde empfohlen Eisen mit einem Glas Orangensaft einzunehmen. Heute werden auch pflanzliche Mittel nahegelegt, wie beispielsweise Kräuterblut, da viele Frauen in der Schwangerschaft an Verstopfungen leiden.
Gibt es einen Unterschied in der Ernährung vor und während der Schwangerschaft?
Miriam Mottl: Jein. Man hat natürlich jeweils einen unterschiedlichen Bedarf. Man kann mit einer ausgewogenen Ernährung die notwendigen Spurenelemente zuführen. Es macht jedoch Sinn Präparate einzunehmen, einfach um auf der sicheren Seite zu sein.
Ich empfehle allen Schwangeren alle möglichen Lebensmittel zu essen. Es scheint so, dass die wahrgenommenen Geschmäcker ins Fruchtwasser übergehen und die Kinder sich besser daran gewöhnen können. Auch die Dinge, die man vielleicht nicht so mag, gehören auf den Speiseplan.
Haben Sie weitere Tipps für die Ernährung in der Schwangerschaft?
Miriam Mottl: Es gibt eine Studie, die besagt, man solle am Tag mindestens vier Datteln essen. Damit habe ich auch persönlich sehr gute Erfahrungen gemacht. Dadurch wird das Bindegewebe und der Zuckerhaushalt reguliert. Es gibt dazu Studien mit mehreren tausend Teilnehmerinnen, die gezeigt haben, dass es dadurch zu weniger Geburtsverletzungen und zu schnelleren Geburtsverläufen kommt. Die Datteln sollten etwa ab der 34. Schwangerschaftswoche zugeführt werden.
Auch Leinsamen helfen. Sie führen Flüssigkeit an unseren Körper zurück und sorgen für Elastizität. Ich empfehle daher täglich einen Esslöffel Leinsamen in der Schwangerschaft.
Wo sehen Sie die Chancen der Telemedizin in der Sexualmedizin?
Miriam Mottl: In der Kinderwunschberatung sehe ich für die Telemedizin große Chancen. Viele Paare möchten sich eine zweite Meinung einholen. Hier kann ein Gespräch in der Videosprechstunde helfen. Oder aber wenn neue Befunde besprochen werden sollen. Hier fehlt in der Kinderwunschklinik oft die Zeit, um diese umfassend zu erklären. In der Sexualtherapie kann man Beratungen online durchführen. Eine vollständige Therapie ist schwieriger. Jetzt in Zeiten von COVID-19 sehe ich den Vorteil, dass man in der Online-Sprechstunde keine Maske tragen muss. So kann man die Mimik und Emotionen der PatientInnen besser wahrnehmen. Ich sehe auch einen Vorteil darin, dass man online die Therapie fortsetzen kann, wenn jemand in Quarantäne ist.