Kurz erklärt: Was ist Hashimoto und mit welchen Beschwerden geht es einher?
Dr. med. Dorothea Leinung: Hashimoto ist eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse. Dabei wandern Entzündungszellen in das Schilddrüsengewebe und zerstören es. Die Funktion der Schilddrüse wird dadurch beeinträchtigt, weshalb sie sukzessive immer weniger Schilddrüsenhormone produziert. Im Verlauf der Erkrankung kommt es deshalb in der Regel zu einer Schilddrüsenunterfunktion. Damit hängt ein bunter Strauß an Symptomen zusammen. Es kann zu Gewichtszunahme, Kälteempfindlichkeit, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Verdauungsbeschwerden, Schlafstörungen, trockener und schuppiger Haut, Haarausfall und vielen weiteren Symptomen kommen.
Welche Rolle spielt die Schilddrüse beim Kinderwunsch bei Mann und Frau?
Dr.med. Dorothea Leinung: Die Hashimoto-Thyreoiditis tritt häufiger bei der Frau auf. Über 80 Prozent der Betroffenen sind Frauen. Generell gilt: Wenn ein Kinderwunsch besteht und dieser unerfüllt bleibt, sollten beide Partner auf Schilddrüsenerkrankungen untersucht werden. Denn die Schilddrüse steuert so gut wie alles in unserem Körper. Zu viele Schilddrüsenhormone sind genauso ungünstig wie zu wenige. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis liegen in der Regel zu wenige Schilddrüsenhormone vor. Das wirkt sich sowohl auf die Libido als auch auf die Fruchtbarkeit aus. Diese sinkt bei beiden Geschlechtern. Beim Mann wirkt sich Hashimoto auf die Spermienqualität und die Spermienanzahl aus. Bei der Frau reduziert sich die Chance, ein Kind zu empfangen. Die Schilddrüsenhormone sollten also bei beiden Partnern möglichst optimal eingestellt sein.
Kann man mit Hashimoto schwanger werden?
Dr. med. Dorothea Leinung: Ja, kann man. Eine Studie aus dem Jahr 2014 hat festgestellt, dass zwar 47 Prozent der Hashimoto-PatientInnen unter unerfülltem Kinderwunsch leiden. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass 53 Prozent Kinder bekommen können. Zum Vergleich: Die Unfruchtbarkeitsrate in der Normalbevölkerung liegt bei 7 bis 24 Prozent. Entsprechend ist diese Rate bei Hashimoto-Betroffenen also deutlich erhöht. Wenn die Schilddrüsenhormone richtig eingestellt sind und die Hashimoto-Thyreoiditis ganzheitlich behandelt wird, kann man aber auch mit der Erkrankung durchaus schwanger werden.
Welche Risiken bestehen bei einer Schwangerschaft mit Hashimoto?
Dr. med. Dorothea Leinung: Wenn Hashimoto während der Schwangerschaft nicht engmaschig kontrolliert wird, besteht das Risiko einer Frühgeburt, im schlimmsten Falle sogar einer Fehlgeburt. Die Schilddrüsenhormone werden auch für die Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft benötigt. Diese spielen beispielsweise bei der Ausbildung des Nervensystems des Fötus eine wichtige Rolle sowie bei anderen Wachstumsprozessen des ungeborenen Kindes. Aus Angst vor der Erkrankung nehmen viele Schwangere kein Jod zu sich. Es heißt bei Hashimoto oft, dass man bestmöglich auf Jod verzichten soll. Das stimmt jedoch so nicht. Besonders bei Schwangeren kann Jodmangel schwerwiegende Folgen haben. Deshalb sollten auch Schwangere mit Hashimoto Jod zuführen, allerdings in Maßen.
Worauf sollte man achten, wenn man einen Kinderwunsch und Hashimoto hat?
Dr. med. Dorothea Leinung: Im ersten Schritt sollte sich die betroffene Frau einen Gynäkologen bzw. eine Gynäkologin suchen, der oder die sich mit Hashimoto auskennt. Um überhaupt schwanger zu werden, müssen bereits zuvor gute Schilddrüsenwerte erreicht werden. Der Zielwert des TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) sollte etwa bei 1 Milliunits pro Liter liegen. Zudem sollte man darauf achten, dass die Schilddrüsenhormone fT3 (freies Trijodthyronin) und fT4 (freies Thyroxin) im Bereich von etwa 50 Prozent liegen. Wenn eine Schwangerschaft besteht, müssen diese Werte regelmäßig kontrolliert werden. Je nachdem wie stark die Hormonschwankungen vor der Schwangerschaft waren und wie langwierig der Prozess war, überhaupt schwanger zu werden, sollten die Laboruntersuchungen eng- oder weitmaschiger getaktet werden. Das kann bei manchen Patientinnen also wöchentlich sein, bei anderen einmal im Monat oder alle zwei Monate. Das muss jeweils individuell festgelegt werden.
Außerdem muss man darauf achten, dass die Patientin optimal mit Mikronährstoffen versorgt ist. Wichtig ist eine gute Jod-Versorgung. Die Schilddrüse braucht Jod, um die Schilddrüsenhormone herzustellen. Wichtig ist es, hierbei Grenzwerte einzuhalten. Zu viel Jod wirkt inflammatorisch, sprich kann die Entzündung vorantreiben. Hier sollte man individuelle Dosierungen für die Patientin mit dem Arzt oder der Ärztin festlegen. Auch der Eisenbedarf ist in der Schwangerschaft erhöht. Hier sollte u.a. der Ferritin-Wert begutachtet werden, unser Speichereisen. Darüber hinaus sollten Selen und Zink substituiert werden. Beide Spurenelemente sind wichtig für die Produktion von Schilddrüsenhormonen, den Schutz des Schilddrüsengewebes und insbesondere Selen für die Senkung der Schilddrüsenantikörper. Auch hier sollte die Dosierung mit dem Gynäkologen oder der Gynäkologin besprochen werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ernährung. Diese sollte Hashimoto-gerecht sein. Das bedeutet glutenfrei und zuckerarm. Auf Soja- und Tiermilchprodukte sollte ebenfalls verzichtet werden. Das sind alles Nahrungsbestandteile, die die Inflammation befeuern und ein Leaky-Gut-Syndrom, insofern es vorliegt, verschlimmern oder die Entstehung begünstigen können.
Die Medikation sollte nach der Geburt wieder überprüft und die Dosierung entsprechend angepasst werden.
Besteht für den Nachwuchs von Müttern mit Hashimoto ein höheres Risiko, ebenfalls zu erkranken?
Dr. med. Dorothea Leinung: Es gibt eine genetische Komponente. Das heißt allerdings nicht, dass Kinder von Hashimoto-PatientInnen auch Hashimoto bekommen. Eine gewisse Prädisposition ist vorhanden. Unklar ist jedoch, in welchem prozentualen Bereich diese liegt sowie welche Gene und Faktoren eine Rolle spielen. Die Schilddrüsen-Antikörper passieren während der Schwangerschaft nicht die Plazenta. Das heißt, das Ungeborene wird nicht mit diesen konfrontiert. Man hat festgestellt, dass die erste Milch beim Stillen eine geringe Menge dieser Antikörper enthält. Jedoch sind diese für das Baby nicht relevant. Nach heutigem Stand der Wissenschaft besteht durch die Schwangerschaft und das Stillen keine Gefahr, die Erkrankung auf das Kind zu übertragen.