- Wachstumsgeschwindigkeit, Haardicke und Haardichte nehmen mit zunehmendem Lebensalter ab.
- Verlust von 50 bis 100 Haaren pro Tag üblich, darüber hinaus spricht man von Haarausfall.
- Ab einem Verlust von 60 Prozent der Kopfbehaarung spricht man von Alopezie.
- Männer sind häufiger betroffen, meist ist der Haarausfall dann hormonell bedingt.
- Haarausfall kann u. a. durch Medikamente behandelt werden.
Der menschliche Haarwuchs
Wozu wir Menschen unsere Haare eigentlich brauchen, ist noch nicht endgültig geklärt. Wir wissen aber zum Beispiel, dass
Das Kopfhaar uns vor der Sonne schützt,
Haare isolierend wirken (Beispiel Gänsehaut: durch das Aufstellen der Haare können die Zwischenräume ein Luftpolster bilden, das als Isolierschicht funktioniert),
Haare im Gehörgang uns u. a. auf Insekten aufmerksam machen können und
Haare inzwischen zu einem Schönheitsmerkmal in unserer Gesellschaft geworden sind.
Die Beschaffenheit unserer Haare – das heißt die maximale Dicke, der Durchmesser eines einzelnen Haares, die Farbe, die maximale Länge, die ein einzelnes Haar annimmt, sowie die Haardichte pro cm² Kopfhaut – ist durch unsere Gene festgelegt.
Je nach Veranlagung beherbergt ein menschlicher Kopf zwischen 80.000 und 150.000 Kopfhaare, was etwa 180 bis 300 Haaren pro cm² entspricht. Als Faustformel kann man sich merken, dass Haare ca. 1cm pro Monat wachsen und in der Regel bis zu 80 cm lang werden können, bevor ihr Lebenszyklus vorüber ist.
Im Laufe unseres Lebens entwickeln sich unsere Haare vom Lanugohaar (Haar des Ungeborenen) zum Vellushaar (Flaumhaar) und schließlich zum Terminalhaar.
Der Lebenszyklus eines einzelnen Haares ist ein festgelegter Kreislauf und besteht aus drei Phasen:
- Anagenphase (Wachstumsstadium): Sie dauert 2 bis 6 Jahre; 80 bis 90 % der Kopfhaare befinden sich normalerweise in dieser Phase
- Katagenphase (Übergangsstadium): Sie dauert 1 bis 2 Wochen; 1 bis 3 % der Kopfhaare befinden sich normalerweise in dieser Phase
- Telogenphase (Ruhestadium): Sie dauert 2 bis 4 Monate; 10 bis 20 % der Kopfhaare befinden sich normalerweise in dieser Phase
Wenn das Haar anschließend ausfällt, beginnt in derselben Haarwurzel der Lebenszyklus eines neuen Haares. Man geht davon aus, dass eine solche Haarwurzel über eine begrenzte (aber normalerweise für ein Menschenleben ausreichende) Lebensdauer von ca. 25 Lebenszyklen verfügt – allerdings ist auch diese Lebensdauer genetisch festgelegt und variiert somit von Person zu Person. Hinzu kommt, dass vor allem die Wachstumsphase stark von äußeren Umständen beeinflusst wird. Hierzu zählen:
Ernährung
Stoffwechselveränderungen
Medikamente
Hormonelle Veränderungen
Blutversorgung der Haarwurzel
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wachstumsgeschwindigkeit, Haardicke und Haardichte mit zunehmendem Lebensalter abnehmen, ethnische und geschlechtsspezifische Unterschiede aufweisen und je nach Umweltbedingungen einer großen individuellen Schwankungsbreite unterliegen.
Symptome und Einteilung von Haarausfall
Normalerweise verliert der Mensch etwa 50 bis 100 Haare am Tag; bei einer Haarwäsche gehen rund 300 Haare verloren. Von Haarausfall (Effluvium, von lat. effluvium = „Erguss“, „Ausfluss“) spricht man, wenn deutlich mehr Haare verloren gehen und somit haarlose Hautbezirke an Stellen entstehen, die normalerweise Terminalhaar aufweisen.
Von einer Alopezie (vom griech. alōpekía = „krankhafter Haarausfall“) spricht man ab einem Verlust von ca. 60 Prozent der Kopfhaare. Meist lichten sich die Haare erst am Ansatz, dann an den Schläfen und dem Oberkopf.
Alopezie kann verschiedene Ursachen haben und somit auch verschiedene Behandlungsformen erfordern. Unterschieden wird zwischen
angeborener und erworbener Alopezie, wobei angeborene Haarwachstumsstörungen bzw. Haarverluste eher selten sind,
diffuser und zirkumskripter (umschriebener, herdförmiger) Alopezie
sowie in vernarbende und nicht vernarbende Formen.
Wie viele Menschen sind von Alopezie betroffen?
Haarausfall ist vor allem unter Männern weit verbreitet. In Deutschland leiden etwa 1,5 Millionen Männer und 500.000 Frauen an Alopezie. Bei betroffenen Männern ist der Haarausfall in 95 Prozent der Fälle auf eine genetische Veranlagung zurückzuführen (Androgenetische Alopezie, s.u.). Diese Art von Haarausfall erleiden bis zu 80 Prozent aller Männer und etwa 50 Prozent aller Frauen im Laufe ihres Lebens, womit sie als häufigste Form des Haarausfalls gilt.
Welche Ursachen für Haarausfall gibt es?
Ursachen für Haarausfall sind vielfältig. Die Gründe für vernarbende und nicht-vernarbende Alopezien sind unterschiedlich. Bei vernarbenden Alopezien wird der Haarfollikel irreversibel geschädigt, bei nicht-vernarbenden Alopezien kann der Prozess der Haarverlustes aufgehalten oder sogar umgekehrt werden.
Da der kreisrunde Haarausfall (Alopecia areata) und die Alopecia androgenetica die häufigsten Krankheitsbilder sind, werden diese hier näher beleuchtet. Sie gehören beide zu den nicht- vernarbenden Alopezien.
Androgenetische Alopezie (Alopecia androgenetica)
Die Androgenetische Alopezie gehört zu den diffusen, nicht-vernarbenden Formen des Haarausfalls und ist hormonell bedingt. Dadurch ist sowohl der Verlauf des Haarausfalls als auch dessen Therapie bei Männern und Frauen, sowie auch individuell, sehr unterschiedlich.
Ursache des Leidens ist eine erhöhte Empfindlichkeit der Haarfollikel gegen das Steroidhormon DHT (Dihydrotestosteron). Dieses wird von einem Enzym namens Steroid-5alpha-Reduktase aus dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron gebildet und ist vor allem in der Pubertät für die „Vermännlichung“, wie zum Beispiel die Ausprägung der Körperbehaarung oder die Funktion der Prostata zuständig. Auch Frauen haben DHT in geringeren Mengen im Körper.
Bei Männern beginnt der Haarausfall oft schon mit Einsetzen der Pubertät, da hier der DHT-Spiegel ansteigt. Weil die Haarwurzelzellen auf den normalen DHT-Blutspiegel überempfindlich reagieren, verkürzt sich die Wachstumsphase der Haare und es kommt zu einer Umwandlung von Terminalhaar in Vellushaar. Durch die Verkümmerung und den verfrühten Ausfall der Haare geht die Haarwurzel schließlich unter und kein neues Haar kann mehr aus ihr wachsen.
Das typische Haarausfall-Muster bei Männern beginnt mit Geheimratsecken im Schläfenbereich (Grad I) und sich lichtendem Haar am Hinterkopf (Grad II). Schließlich lichtet sich ebenfalls das Scheitelhaar und die haarlosen Bereiche vereinen sich zu einer Glatze im oberen Bereich des Kopfes (Grad III). Es bleibt ein hufeisenförmiges Haarband, die freie Kopfhaut glänzt aufgrund der verbleibenden Talgdrüsen.
Bei Frauen zeigt sich meist kein solches Muster, sondern eine generelle Ausdünnung der Kopfhaare. Oft dünnen die Haare vor allem in der Scheitelregion aus, wobei im Stirnbereich ein schmaler Haarstreifen erhalten bleibt. Der Haarausfall verläuft bei Frauen in der Regel milder, führt nicht zur Glatze und beginnt meist erst nach dem Klimakterium (den Wechseljahren) durch einen Androgen-, also Sexualhormonüberschuss. Andere Gründe können Androgen-produzierende Tumore oder Medikamente mit Androgenwirkung sein, wodurch Frauen gelegentlich auch unter einer „Vermännlichung“ in Form von männlichem Haarwuchs, maskulinerem Aussehen oder einer tieferen Stimme leiden. Die psychische Belastung ist in diesen Fällen besonders hoch.
Die Androgenetische Alopezie führt nie zu einem rasch fortschreitenden Haarverlust, sondern ist ein Jahre bis Jahrzehnte andauernder Prozess. Je früher der Haarausfall beginnt, desto schwerer ist in der Regel der Verlauf.
Kreisrunder Haarausfall (Alopecia areata)
Die Alopecia areata gehört zu den nicht-vernarbenden, zirkumskripten (also klar umschriebenen) Formen des Haarausfalls. Es zeigen sich herdfömige, haarlose Kahlstellen mit kurzen, abgebrochenen Haaren an den Rändern. Gegebenenfalls sind sogenannte „Ausrufezeichenhaare“ mit einer verdickten Haarwurzel zu sehen, deren Haarschaft in Wurzelnähe dünner ist als am Haarende.
Der kreisrunde Haarausfall kommt in fast allen Altersgruppen, insbesondere auch bei Kindern und Jugendlichen vor. Die genauen Ursachen sind noch nicht geklärt, allerdings geht man von einer autoimmunologischen Entzündung aus, bei der das Immunsystem im Bereich der Haarwurzeln fehlgesteuert wird.
Durch die Entzündung wird ein Stillstand des Haarwachstums hervorgerufen, der – aus bisher unbekannten Gründen – plötzlich wieder aufgehoben werden kann. Direkte Auslöser dieser Schübe konnten bisher nicht erforscht werden; häufig wird ein Zusammenhang mit Phasen erhöhter psychischer Belastung bzw. Stress beobachtet.
Der Produktionsstillstand der Haarwurzel ist in der Regel reversibel, kann aber auch lebenslang andauern oder sich dramatisch verschlechtern, weshalb der kreisrunde Haarausfall mit einer hohen psychischen Belastung verbunden ist. In ca. 20 Prozent der Fälle bleibt die Alopezie, in ca. 70 Prozent kommt es nach einer (zeitweisen) Spontanheilung zu Rezidiven.
Auch die Frage, ob die Alopecia areata vererblich ist, kann noch nicht eindeutig beantwortet werden. Es besteht eine familiäre Häufung in bis zu 20 Prozent der Fälle, wobei häufiger männliche Personen betroffen sind.
Schweregrade der Alopecia areata:
- Grad I: Einer oder mehrere Herde, die weniger als 30 Prozent der behaarten Kopfhaut betreffen
- Grad II: Einer oder mehrere Herde, die mehr als 30 Prozent der behaarten Kopfhaut betreffen
- Grad III: Alopecia areata totalis (die gesamte behaarte Kopfhaut ist betroffen)
- Grad IV: Alopecia areata universalis (vollständiger Ausfall der Körperhaare inklusive Wimpern, Augenbrauen und Schambehaarung)
Um den Ursachen eines vorhandenen Haarverlusts auf den Grund zu gehen und so eine eindeutige Diagnose zu stellen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sie sollten diese in jedem Fall von einem Arzt vornehmen lassen.
Wie wird Haarausfall diagnostiziert?
Eigen- und Familienanamnese: Die Krankengeschichte des Betroffenen sowie die seiner direkten Verwandten wird erfragt. Wie genau verlief der Haarausfall? Sind außerdem Schuppen zu beobachten? Juckt die Kopfhaut? Wurden kurz vor Beginn des Haarausfalls neue Medikamente oder Pflegeprodukte angewendet? Bei Frauen ist außerdem relevant, ob sich im Zyklus etwas verändert hat oder eine neue (Hormon-)Verhütungsmethode begonnen wurde. Gibt es ähnliche Beschwerden bzw. Kopfhauterkrankungen bei nahen Verwandten? Unter Umständen kann ein „Haarkalender“ geführt werden.
Laboruntersuchungen: Entzündungswerte, Schilddrüsenhormone, Geschlechtshormone, Leberwerte, Antikörper, Eisen, Zink, Vitaminblutspiegel, Ausschluss einer Infektion, Untersuchung der Haarbestandteile (Schwefel- und Kupfergehalt, Aminosäuren), ggf. genetische Untersuchung.
Haarwurzelstatus (Trichogramm): Es werden insgesamt etwa 100 Haare von zwei Stellen der Kopfhaut entfernt und unter dem Mikroskop auf krankhafte Veränderungen untersucht.
Kopfhautbiopsie (Gewebeentnahme): Es wird ein kleines Stück (wenige mm) der Kopfhaut entnommen und untersucht.
Wie kann Haarausfall behandelt werden?
Die Behandlungsmöglichkeiten richten sich nach der Ursache des Haarverlusts.
Therapiemöglichkeiten bei Androgenetischer Alopezie
Bei Männern:
- Minoxidil: Blutdrucksenkendes Medikament, dessen Wirkmechanismus in Bezug auf die positive Wirkung beim Haarausfall noch nicht endgültig geklärt ist (in äußerlich anwendbaren Kopfhauttinkturen)
- Finasterid: Wirkstoff in Medikamenten (zum Beispiel in Propecia), der das Enzym Steroid-5alpha-Reduktase hemmt, wodurch weniger Testosteron in DHT umgewandelt wird
- Chirurgische Maßnahmen: Operative Haartransplantation, auch mit Eigenhaar z.B. aus dem Nacken möglich (diese Methode ist sehr kostspielig und wird daher eher selten angewendet)
- Perücke bzw. Toupet als symptomatische Behandlung
Bei Frauen:
- Orale Antiandrogene (z.B. Cyproteronacetat), die die Bindungsstellen der männlichen Geschlechtshormone blockieren
- Lokale Östrogene (äußerlich anwendbar)
- Perücke oder Einflechten von Haaren als symptomatische Behandlung
Therapiemöglichkeiten bei Kreisrundem Haarausfall
Steroide: lokal (äußerlich anwendbar als Lösung oder Creme) bzw. oral
Phototherapie mit UVA-Licht, Photochemotherapie mit PUVA-Creme
Immuntherapie mit DCP (Diphenylcyclopropenon) oder SADBE (Quadratsäuredibutylester)
Haarersatz (Perücke) oder Permanent-Make-up (z.B. bei Verlust der Augenbrauen) als symptomatische Behandlung
Quellen
Brinkmeier T: Springer Kompendium Dermatologie. Berlin, Heidelberg. Springer-Verlag 2006. S. 55-70.
Freissmuth M, Böhm S: Pharmakologie und Toxikologie: Von den molekularen Grundlagen zur Pharmakotherapie. Offermanns S (Hrsg.) Berlin, Heidelberg. Springer-Verlag 2012. Springer-Lehrbuch. S. 567f.
Piraccini BM, Alessandrini A: Androgenetic alopecia. G Ital Dermatol Venereol 2014; 149: 15–24.
Tilgen W, Dill-Müller D, Koch P, Reinhold U: Empfehlungen zur Patienteninformation Dermatologie. Steinkopff-Verlag Heidelberg 2005. S. 129-137.
Alopezien. Amboss. 2019. https://www.amboss.com/de/wissen/Alopezien/ (zugegriffen 5. Juli 2021)
Androgenetische Alopezie / Behandlung mit Finasterid hemmt Haarausfall. Ärzte Zeitung 1999, 180: 20.
Haarausfall und Haartransplantation Portal. https://www.alopezie.de/ (zugegriffen 5. Juli 2021)